Der Buddha hat aus den Erfahrungen seines eigenen Erlösungsweges die Lehre von den vier Heilswahrheiten entwickelt und hat in der vierten Heilswahrheit einen genauen Übungsweg beschrieben, der aus acht Gliedern besteht. Es handelt sich um Denk– und Handlungsanweisungen.

Die vierte der edlen Wahrheiten bezieht sich auf die eizelnen Etappen des Weges, der zum Ziele führt.

Ohne diesen zielgerichteten Pfad wäre alles Wissen um das Leiden, seine Entstehung und Aufhebung, zwecklos und unfruchtbar, weil ohne ihn die Erlösung nicht verwirklicht werden kann. Er und nur er allein führt hinüber über den breiten Strom, vom Ufer des Leidens zum Ufer der Leidlosigkeit, und ist dieses einmal erreicht, dann hat er seine Aufgabe erfüllt und dient zu nichts weiterem mehr.

Im Mahaparinibbanasutta, dem großen Bericht über die letzten Tage des Buddha, hören wir, wie der Buddha ganz kurz vor seinem Hinscheiden noch einen andersgläubigen Geistlichen namens Subhadda empfing, der von ihm belehrt zu werden wünschte. Subhadda fragte den Buddha, was er von den  Lehren der anderen berühmten Schulhäupter halte, deren es damals im Gangeslande mehrere gab, und der Buddha antwortete (dem Sinne nach): "Diese Frage wollen wir auf sich beruhen lassen, aber ich will dir sagen, worauf es bei meiner Lehre vor allem ankommt: Das ist der edle achtfache Pfad." Den setzte er ihm auseinander und Subaddha wurde dadurch bekehrt und bat um Aufnahme in die buddhistische Mönchsgemeinde. So wurde er der letzte Jünger, den der Buddha selbst bekehrt hatte.

Mit dem edlen achtfachen Weg hatte der Buddha seine Lehrtätigkeit auch eröffnet. Die erste Rede, die er hielt, nachdem er zur Wissensklarheit, zur Erwachung, gelangt war, die Rede von Benares, beginnt mit dem edlen achtfachen Weg. Er ist in der Tat Anfang und Ende und Kern der Buddhalehre. Bei allen Wandlungen, die der Buddhismus im Laufe der Jahrhunderte und in den verschiedenen Ländern erlitten hat, ist der edle achtfache Pfad unverändert geblieben, und überall in der Welt, wo sich Menschen zum Buddha bekennen, da bekennen sie sich zum edlen achtfachen Pfad, so verschieden auch sonst ihre Anschauungen sein mögen.

Die acht Glieder des Pfades (Pali: Ariyo attahngiko maggo) sind diese:

Das erste Glied, rechte Anschauung (samma-ditthi), betrifft die Aneignung der richtigen Daseinsschau, also die rechte Orientierung über das Gesetz der Existenz, in der wir stehen.

Wie die rechte geistige Einstellung zur Wahrheit jeder Praxis vorangeht, beschreibt der Buddha in Majjhima Nikaya 95:

Erstens muss jemand nach der Wahrheit suchen, nach dem Sinn des Daseins im Geiste fragen, eben der Wahrheitsfrage nachgehen. Nur der Wahrheitssucher bringt die Kraft auf, sich zu ihr durchzubohren. Zweitens muss man die gehörte Wahrheit nach gründlicher Prüfung und im Vergleich mit der Existenz auch fest in den Geist aufgenommen haben, sie muss einem einleuchtend aufgegangen sein, sie muss zum Besitz geworden sein, den man inwendig und auswendig nun immer bei sich hat, so dass man stets darauf zurückgreifen kann. Sie ist dann das Leitbild des Lebens. Drittens muss die derart wach gewordene Wahrheit weiter entwickelt, verstärkt, ausgebildet und im täglichen Leben praktisch angewendet werden. Damit bezieht sich die rechte Anschauung dann auf sämtliche weitere Glieder des Achtpfades.

Die rechte Anschauung besagt u.a. kurz gefasst, dass das gesamte Erleben des Menschen, das Erlebnis seines Ich in der Welt — ganz wie im Traum — entworfen ist von seinem eigenen Herzen, der Verfassung seines Charakters zwischen wohlwollen und übelwollen, zwischen begehrlich und bescheiden, zwischen rücksichtsvoll und rücksichtslos. Daraus ergibt sich, dass alle Begegnungen seines Lebens ihn immer auf sich selbst zurückweisen. So wie wir nach dem Erwachen aus einem Traum erkennen (teils mit Verwunderung) dass von all dem Erlebten nichts „wirklich“ da war — denn wir befanden uns während der Zeit allein auf unserem Lager — so erkennen die aus dem Lebenstraum Erwachten, dass sie bisher nur immer in ihren eigenen Phantasien gesponnen haben, weshalb der Erwachte unsere Wahrnehmung als avijja = Wahn bezeichnet. Die Triebe, die Beschaffenheit unseres Charakters, sind die Quelle, aus welcher das Außen, die Welt, wieder an uns herantritt als Wahrnehmung.

Das zweite Glied, die rechte Gesinnung (samma-sankappa), ergibt sich aus der vollen Konsequenz  einer so beschaffenen Struktur der Existenz, unseres Lebens, führt uns vor Augen, dass wir eine ersehnte freundlichere Erlebensweise und Erfahrungsweise nur dadurch aufbauen können, dass wir die dazu erforderliche Gesinnung und Gemütsverfassung erwerben, die Eigenschaften unseres Herzens zu wohlwollender, hochsinniger, heller Verfassung umbilden. Und uns eine Verhaltensweise und Lebensführung im Reden und Handeln angewöhnen, aus welcher dann die von uns gewünschte und ersehnte hellere, wohltuende Wahrnehmung hervorgeht. Aus der mehr oder weniger kühlen und nüchternen Anschauung folgt die verbindlich engagierte Gesinnung. Die Anschauung sagt, was Heil und Unheil an sich sind, die Gesinnung sagt, was Heil und Unheil für mich seien. Anschauung ist Wertsetzung, Gesinnung ist Wertverwirklichung.

Das dritte Glied, die rechte Rede (samma-vaca), führt dazu, dass wir Sprache heilsam benutzen und einsetzen, d.h. einen Sinn zu vermitteln, der zu Wohl und Heil führt. Die Regel, nicht zu lügen, gehört hier an die Spitze. Wahrhaftigkeit, Ehrlichkeit, Offenheit, Geradheit, Verlässlichkeit sind Werte an sich und führen zu einem Klima des Lichten und Klaren. Nicht umsonst nennt der Buddha das Nicht-lügen als Eingangstor für die anderen drei Redeweisen, die erst erfüllt werden können, wenn man mindestens nicht mehr bewusst Unwahres sagt und im Umgang mit dem Bemühen um Ehrlichkeit sich selber besser kennenlernt und die gefährliche Neigung, den Weg des geringsten Widerstandes zu gehen. Es ist ja überaus bequem, sich mit der Lüge einen Vorteil zu erkaufen oder einen Nachteil zu vermeiden.

Ferner verwirft man das „Hintertragen“, legt Wert auf versöhnende Worte. Das Hintertragen ist eine Art Untreue mit Worten. Wenn z.B. in einem Menschenkreis über einen Abwesenden, der sich nicht verteidigen kann, hergezogen und über seine Fehler geschludert wird und wenn ich dann, um in diese Gemeinschaft als Kritiker aufgenommen zu werden, in dieselbe Kerbe haue, ohne das Positive, das ich von dem Dritten weiß, zu sagen, dann habe ich die Treuepflicht der Menschlichkeit, der Mitmenschlichkeit und Humanität leichtfertig verletzt, die zum Bestand einer Sozialgemeinschaft unerlässlich ist.

Als Drittes gebraucht man freundliche Sprache. „Verletzende Worte hat er verworfen, von verletzenden Worten hält er sich fern.“ Wer schimpft, der platzt mit seinen Beleidigungen heraus, weil er nicht an sich halten kann, und lädt seine eingenen Aggressionen, seinen Sondermüll, auf andere ab. Das Schelten oder Verletzen ist eine Art Totschlagen mit Worten. Wie wohltuend ist dagegen die freundliche Rede.

Als Viertes folgt: Sinnvolles Reden statt Geschwätz. Am deutlichsten kann ich das Negative dieser Untugend daran merken, wenn andere mich mit ihrem Geschwätz überfallen. So unangenehm und lästig mir das ist, genauso unangenehm und lästig bin ich für andere, wenn ich sie dem aussetze: Da höre ich im Gespräch immer dieselben Banalitäten  und Plattitüden, ohne irgend etwas Hörbares darin.

Das vierte Glied, rechtes Handeln (samma-kammanta) fordert, dass wir nun auch im Verhalten die rechte Richtung einschlagen, bis wir gar nicht mehr anders können. Das Wesen der Tugend besteht in der Beschränkung der hemmungslosen und rücksichtslosen Verfolgung der eigenen Interessen bei der Auseinandersetzung mit der Umwelt. Es ist die Auferlegung einer starken Selbstzucht zugunsten des Nächsten und der eigenen moralischen Entwicklung. Hier sind die fünf Tugendregeln (Pali: sila) maßgeblich, in der Kurzform: Keine Lebewesen töten, Nichtgegebenes nicht zu nehmen, falschen Wandel in der Begegnung der Geschlechter zu vermeiden, nicht lügen, keine berauschenden Getränke oder andere, die Vernunft und Selbstkontrolle verhindernde Mittel zu nehmen.

Das fünfte Glied, die rechte Lebensführung (samma-ajiva) zeigt sich u.a. in der Ausübung eines Berufes, der andere Wesen nicht schädigt. Als Beispiele unrechter Tätigkeiten nennt der Buddha „Handel mit Waffen, Handel mit Lebewesen, Handel mit Fleisch, Handel mit berauschenden Mitteln, Handel mit Gift". Die wichtigste Frage ist also, ob der Beruf, den man wählt oder in dem man gerade steht, auch heilsam ist. Diese Frage wird heute kaum noch beachtet, vielmehr geht es meist darum, wo man am schnellsten und bequemsten Geld verdienen kann. Am unheilsamsten und verwerflichsten sind Berufe, deren Ausübung Untugend ist, d.h. Verletzung der Sila: Das erste Sila wird verletzt bei gewaltsamen Berufen, die töten und verletzen. Das zweite Sila wird durch Raubbau und Ausbeutung der Natur gröblich verletzt. Das dritte Sila wird verletzt in der Pornoindustrie, im Sextourismus, im Rotlichtmillieu der Zuhälter. Das vierte Sila wird verletzt bei allen Betrugsformen. Das fünfte Sila in Berufen, in denen Alkohol hergestellt oder verkauft wird, von anderen Rauschgiften ganz zu schweigen. Die rechte Lebensführung zeigt sich aber auch in der Art der Beschäftigung während der Freizeit und in der Wahl des gesellschaftlichen Umgangs und der Freunde.

Das sechste Glied betrifft rechtes Mühen bzw. Streben (samma-vayama. Die „vier großen Kämpfe“ (siehe dortiges Kapitel) bilden das „Rüstzeug“ der Vertiefung: Erstens die Sinneszügelung, zweitens die Bekämpfung aufgestiegener übler Einflüsse in der Gemütsverfassung. Drittens die Erzeugung, Verstärkung und Gewöhnung in der reineren Gesinnung. Viertens bei dann eingetretener heller Verfassung und innerer Ruhe durch Zurücktreten der Gedanken von weltlichen Einzelheiten diese Helligkeit des Gemütes und der Ruhe empfinden und pflegen. Die sechste Stufe des Achtpfades, die vier großen Kämpfe, bilden die unmittelbare Voraussetzung für die Satipatthana-Übungen (siehe > Meditation).

Das siebte Glied, rechte Achtsamkeit (samma-sati), rechtes Eingedenksein findet seine Krönung in den vier Satipatthana-Übungen. Diese vier Übungen sind fruchtbar nur demjenigen möglich, der von der gesamten weltlichen Vielfalt innerlich und äußerlich abgeschieden, abgelöst ist, ja, dessen Herz sich schon so stark zu weltüberlegener Reizfreiheit hin entwickelt hat, dass ihm die weltlichen Erscheinungen keinen besonderen Eindruck mehr machen, nicht nur, weil er ihr wandelbares, haltloses und hilfloses Wesen völlig durchschaut, sondern weil er durch die Gewöhnung an diese Durchschauung aus seine Herzensbedürfnisse weitgehend von ihnen abgelöst hat. Diese sati-Haltung ist nur bei einem fortgeschrittenen Grad von Weltablösung und Weltüberwindung auf der Grundlage der gründlichen Durchschauung der fünf Zusammenhäufungen als Leidenselemente in der erforderlichen Reife gegeben.

Als achtes und letztes Glied des Heilsweges steht die rechte Einigung (samma-samadhi). Herzenseinigung — Samadhi bedeutet im Achtpfad nicht nur ein momentanes einiges Erleben, er bedeutet den Eintritt in eine völlig andere Daseinsweise, eine gewachsene Einigkeit des Herzens, gleich was von außen kommt. Diesen gewachsenen samadhi kann man für die Gewinnung der vier weltlosen Entrückungen (jhana) und die auf sie folgenden erhabenen, formfreien Zustände verwenden.

Zwar ist das Erlebnis der weltlosen Entrückung noch keine vollkommene Erwachung, aber es ist eine unvergleichlich größere und hellere Wachheit als das Erlebnis einer Sinnenwelt. Der Erwachte nennt es Befreiungsseligkeit, Befriedungsseligkeit, Erwachungsseligkeit. So ist der von dem Wohl der Entrückungen durchdrungene und gesättigte Heilsgänger ein völlig anderer Mensch als derjenige, der die Entrückungen noch nicht erlebt.

Wir sehen also eine klare Gliederung in

1. Die Lehre hören und rechte Anschauung sowie rechte Gesinnung erwerben.

2. Die Tugendregeln erwerben und voll erfüllen (3.— 5.).

3. Achtsamkeit und Entrückung (6.— 8.).

Die Früchte dieses achtfältigen Heilsweges sind quasi noch als angehängtes neuntes Glied: Rechte Kenntnis. Und als zehntes Glied rechte Erlösung.

Rechte Kenntnis ist eine Kundigkeit, eine geistige Kunst, eine Gnosis, nämlich Erfahrungswissen. Sie ist entfaltete meditative Weisheit im Unterschied zur bloß angehörten und eingesehenen Weisheit. Rechte Erlösung dann vollendet sich im Herzen, das von Gier, Hass und Verblendung völlig und für immer befreit ist. Das erlöste Herz ist triebfrei. Es hat beim Geheilten nur noch ein einziges Gefälle, es neigt zum Nirvana. Ja, schon der Stromeingetretene hat ein sanftes, aber unumkehrbares Gefälle zur Wahnversiegung.

Der Übende wird bis unmittelbar an die Schwelle geführt. Alles, was die klare Sicht hinderte, ist weggefallen. Der Buddha vergleicht es mit der Erfahrung, die ein Blindgeborener macht, wenn er plötzlich zu sehen beginnt und mit dem Erleben, das ein Küken erwartet, wenn es die Eierschale durchbricht.

Es kommt zu Weisheitsdurchbrüchen, zu den drei Wahrwissen (vijja):

Die Erinnerung an unzählige eigene frühere Lebensformen, so wie ein gewöhnlicher Mensch sich seiner vergangenen Gänge, Besuche und Arbeiten in diesem Leben erinnert.

Er sieht ferner die hier sterbenden, abscheidenden anderen Wesen den Körper verlassen und in heller oder dunkler Gestalt ihre weiteren Wege gehen, je nach ihrem Wirken.

Und schließlich das Erwachen aus dem Wahntraum, der dritte Weisheitsdurchbruch, durch welchen der Mönch endgültig erlöst wird, ein Geheilter, ein Genesener wird.

Zitat aus Majjhima Nikaya (Mittlere Sammlung) Nr. 51:

Dem so Erkennenden, so Sehenden wird das Herz erlöst vom Wunscheswahn, erlöst vom Daseinswahn, erlöst vom Nichwissenswahn. "Im Erlösten ist die Erlösung", diese Erkenntnis geht auf. "Beendet ist die Kette der Geburten, vollendet der Reinheitswandel, getan ist, was zu tun war. Nicht mehr ist diese Welt", versteht er da.

Wer diesen Weg gegangen ist, der weiß in dem unvergleichlichen Aufatmen des Befreiten: „Erreicht ist, was zu erreichen ist, das vollkommene Wohl ist aufgegangen."