Der Buddha als Vater des Ordens.

 

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Die Mönche werden oft als Sakyer-Söhne bezeichnet, als Söhne des Erhabenen, aus dem Munde geboren, und es heißt, so wie ein Kaiserkönig tausend leibliche Söhne habe, so habe ein Vollkommen Erwachter Tausende von geistigen Söhnen als seine Nachfolger. Er ist also der Vater. und zwar insbesondere der Vater des Ordens. Er hat den Orden erzeugt, geschaffen, gegründet, und er hat ihn erhalten und betreut. Eine unvorstellbare Arbeit war damit verbunden, ihn zu leiten und ihm die Regeln zu geben, unzählige Wesen zu belehren, zu ermahnen und zu ermuntern. Es war dies eine Aufgabe, die der eines Kaiserkönigs ähnelt, nur erstreckte sich das Reich des Buddha nicht nur auf diese Welt, und er half auch nicht nur dieser Welt. So wurden von ihm, weit mehr noch als von einem Landesvater, der den Erdkreis betreut, die väterlichen Qualitäten gefordert: Fürsorge, Verantwortung, Weitblick, Verständnis, Kraft, Gerechtigkeit und Liebe. Den Menschen, die Heim und Familie verließen und seine Schüler geworden waren, ihnen bot er eine andere Heimat, eine andere Geborgenheit, ein anderes Vorbild. Aus der Fülle all dessen, was sich dabei im Laufe seines langen Wirkens ereignete, gab es die Aspekte:

Regeln, Ratschläge und praktische Hinweise, Verbote, Meditationsthemen im Einzelfall, Ermunterungen, Delegation der Lehrerfunktion, Lehrreden an die Mönche, Kranke betreuen, Streitschlichtung und an den Fortbestand der Lehre zu denken und sie so gut wie möglich vor dem Untergang zu bewahren.

Und es gehört auch Ermahnung und Tadel dazu, denn da jede Erziehung eine Überlegenheit und innere Autorität des Erziehers voraussetzt, ganz besonders die religiöse Erziehung, so setzt der Buddha als Vater des Ordens auch seine Autorität ein, um unheilsame Entwicklungen zu bremsen.

Devadatto

 Ein besonderes Kapitel betrifft hier einen Vetter des Buddha, den Mönch Devadatto, der mit den anderen Sakyern Mönch wurde und bald magische Fähigkeiten entwickelte, aber ohne den Stromeintritt zu erlangen. Da die Magie nur bei intensivem meditativen Bemühen erlangbar ist, war Devadatto bald als ernsthafter Asket angesehen und nicht nur als Verwandter des Buddha geehrt. Selbst Sariputto hatte sein Lob gepriesen. Da aber Devadatto nicht die geringsten Anstalten machte, den Stromeintritt zu beschreiten und sich in den fünfunddreißig Jahren, die er Mönch war, nur der magischen Möglichkeiten erfreute, musste es dahin kommen, dass er diese schließlich für seine Selbstsucht missbrauchte, da er auch keine anderen Gegenkräfte besaß, wie sie etwa in Gottesreligionen durch Demut und Unio mystica entwickelt werden. Bei seiner ehrgeizigen und hartherzigen Veranlagung musste die Magie nur seine egoistischen Kräfte fördem. Obwohl der Buddha dies von Anfang an wusste, hatte er ihn doch in den Orden aufgenommen, damit das Böse, das äonenlang schon in ihm geruht hatte, so zum Ausbruch kam, dass er endgültig davon geheilt wurde. Der Buddha nahm es auf sich, dass Dcvadatto ihm viele Störungen bereitete und dass er viel Unruhe im Orden schuf, alles um letztlich doch Devadatto zu helfen. Gerade das Beispiel Devadattos zeigt, in wie weitreichenden Dimensionen der Fürsorge ein Buddha denkt und in welchem Maß er Plage und Anstoß auf sich nahm, als er sich zum Lehren entschloss.

Nachdem Devadatto fünfunddreißig Jahre lang Mönch gewesen war, war das in ihm verborgen angelegte Böse so reif, dass es nach außen in Erscheinung zu treten begann. Aus Ruhmessucht erschien er mit magischer Kraft vor dem Kronprinzen von Magadha, dem Prinzen Ajatasattu, und beeindruckte diesen dadurch so, dass er von nun an bei Ajatasattu in höchster Gunst stand. Dieser erbaute ihm ein eigenes Kloster und überhäufte ihn täglich mit vorzüglichen Spenden und allerlei Vergünstigungen. lm Rausch des Ruhms stieg nun ein zweiter böser Gedanke in Devadatto auf, namlich das Verlangen, den Orden zu leiten und zu beherrschen, das heißt an die Stelle des damals schon zweiundsiebzigiährigen Buddha zu treten. lm selben Augenblick, wie er diesen Entschluss fasste, verlor er aber seine magischen Fähigkeiten. Solange er nur Gier hegte, konnten seine übersinnlichen Kräfte noch bestehen - als aber die Gier in Hass ausartete, was letztlich ihre zwangsläufige Folge ist, da verlor er die magische Macht.

Eines Tages, als König Bimbisaro und viele Mönche beim Buddha die Lehre hörten, erhob sich Devadatto und machte vor der Versammlung den Vorschlag, der Buddha solle ihm wegen seines Alters die Ordensleitung übertragen, er wäre bereit, ihm die Last abzunehmen. Auf diese Ansprache, die ein Musterbeispiel einer in höfliche Floskeln gekleideten Unverschämtheit darstellte, erwiderte der Erwaehte zunächst nur, er solle den Gedanken fallen lassen. Als Devadatto aber den Antrag dreimal wiederholte, erwiderte der Buddha schließlich: "Nicht einmal Sariputto und Moggallano wiirde ich die Leitung des Ordens übertragen, wie erst könnte ich sie dir übertragen, einem Unwürdigen, der auf Auswurf versessen ist?"

Und der Buddha ließ in Rajagaham verkünden, dass alles, was Devadatto künftig tun werde, nicht mehr im Sinne des Buddha, der Lehre und der Gemeinde der Heilsgänger sei, sondern seine eigene Aktion.

Devadatto ging nun, verärgert und mit gekränktem Ehrgeiz, zu Kronprinz Ajatasattu und stiftete ihn an, seinen Vater, den König Bimbisaro, zu beseitigen, um die Königsherrschaft zu erlangen. Da Bímbisaro als Stromeingetretener dem Buddha unwandelbar ergeben war, hatte Devadatto, solange jener lebte, nichts zu hoffen. Wenn jedoch der ihm blind ergebene Kronprinz König würde, dann hoffte Devadatto, sich mit Gewalt an die Spitze des Ordens setzen zu können. Ajatasattu versuchte unter Devadattos Einfluss mit einem Dolch ein Attentat auf seinen Vater, wurde aber gestellt. Als sein Vater hörte, dass er von Devadatto angestiftet war, nach der Krone zu trachten, da trat er freiwillig zurück und ließ seinen Sohn König werden. Sofort erschien Devadatto beim neuen König Ajatasattu und erbat die Erlaubnis, Leute des Königs auszusenden, um den Buddha mit Pfeilen zu erschießen. Der König stimmte zu. Als der erste Schütze vor dem Erwachten stand, da lähmten ihn Angst und Entsetzen; er zitterte und schwankte und die Glieder versagten ihm den Dienst. Der Erwachte sprach: "Fürchte dich nicht." Da warf jener seine Waffen fort, fiel ihm zu Füßen und beichtete den Mordplan. Darauf aufbauend, sprach der Buddha mit ihm vom Geben, von der Tugend, von seliger Welt, vom Loslassen und legte dem ergriffen Lauschenden sodann die Lehre von den vier Heilswahrheiten dar. Und jener Mann, der als Mörder gekommen war, ging von ihm als Stromeingetretener, als Heílsgänger, als Anhänger, der zeitlebens Zuflucht genommen hat. Und so geschah es auch mit den anderen. Sie alle erlangten den Stromeintritt. Dass aber Mörder dem Buddha auflauerten, das war, wie es heißt, eine karmische Folge davon, dass er in einem früheren Leben vor langen, langen Zeiten als Kind einem Einzelerwachten einen Stein mutwillig an den Kopf geworfen hatte, so dass jener blutete.

Als Devadatto von dem Fehlschlag erfuhr, da beschloss er, die Sache selber in die Hand zu nehmen. Während der Buddha am Fuß des Geierkulms weilte, kletterte er auf den Berg, lockerte einen großen Felsen und ließ ihn als Lawine herunterrollen, um den Buddha zu zerschmettern. Der Stein wurde jedoch von anderen Felsen aufgefangen, und nur ein Felssplitter sprang ab und verletzte den Fuß des Erwachten, so dass er auf einer Bahre davongetragen werden musste. Die Mönche waren davon sehr beunruhigt und gingen als Wachposten auf und ab, um ihren Meister zu beschützen. Er aber wandte sich an sie und sagte, ein Vollkommen Erwachter könne nicht gewaltsam getötet werden und brauche daher keine Leibwache. Dass Devadatto den Fels auf ihn losließ, das war nach der Überlieferung eine kamaische Folge davon, dass derBodhisattva vor langen, langen Zeiten aus Geldgier seinen jüngeren Bruder einen Abhang heruntergestoßen hatte. Und dass er verwundet werden konnte, hatte seine Ursache darin, dass er einst in einem früheren Leben als König willkürlich siebzig Untertanen zum Tode verurteilt hatte.

Devadatto brütete nun einen dritten Mordplan aus. Denn als der Buddha bald wieder rüstig einherschritt, da konnte er es vor Neid nicht aushalten, wie der Buddha nun erst recht geehrt wurde. So ließ er sich vom König die Genehmigung geben, den Staatselefanten, der als wild berüchtigt war, durch Alkohol (Palmwein) berauscht zu machen und auf jener Straße loszulassen, die der Buddha beim Almosengang kommen würde. So geschah es. Als das wilde Tier daherraste, wichen die Mönche aus - nur Anando warf sich vor den Meister, um sich für ihn aufzuopfern. Der Buddha aber durchstrahlte das Tier so mit Liebe, dass es ganz zahm wurde und von nun an sanft blieb. Dass ihm dies begegnete, hatte seinen Grund darin, dass er in einem früheren Leben als Mahout sein Tier auf einen Einzelerwachten losgelassen hatte, um ihm aus Übermut einen Schrecken einzujagen.

Nachdem Devadatto zuerst das Glück des Mönches, die Fähigkeit zur Vertiefung, verloren hatte, verlor er nun das Glück der meisten Menschen: die soziale Achtung. Alles zog sich von dem dreifachen Mörder zurück. Da fasste er den Plan, den Orden zu spalten, um jedenfalls für einige Anhänger der Meister sein zu können. Unverfroren trat er vor die Mönchsversammlung und beantragte, schärfere asketische Regeln einzuführen, wie nur Fetzengewänder zu tragen, nur im Wald zu wohnen und nie mehr Fleisch zu essen, auch nicht, wenn es unvermutet und unverlangt in die Almosenschale gelangte. Er spekulierte darauf, dass die zur Selbstqual Geneigten ihm folgen würden, wenn der Buddha diese Neuregelungen ablehnen würde. Und so geschah es auch. Bei einer von Devadatto veranstalteten Abstimmung folgten ihm fünfhundert junge Vajjíner-Mönche. Mit ihnen zog er auf den Geierkulm und gebärdete sich als Ordensmeister. Die beiden Hauptjünger holten aber die verführten Mönche bald zurück und Devadatto war vereinsamt. Er fıel in Krankheit und lag neun Monate siech darnieder. Als er sein Ende nahen fühlte, ließ er sich den weiten Weg von Rajagaham nach Savatthi tragen, um noch einmal den Buddha zu sehen. Am Tor des Siegerwaldklosters hielt er an. Der Buddha hatte erklärt, dass es Devadatto unmöglich sein werde, ihn noch einmal zu erblicken. Und da öffnete sich der Erdboden, der den Frevler nicht mehr tragen konnte, eine Stichflamme schoss hervor und die Erzhölle verschlang ihn. Unmittelbar davor, in höchstem Entsetzen, kam bei ihm die Umkehr. Er stieß noch folgende Strophe hervor:

"Den allerbesten unter den acht Edlen,

den göttlich Götter übertreffenden. der Wilde zähmt,

den Seher mit den tausend Zeichen und Verdıensten:

zum Buddha nehme Zuflucht ich für alle Leben. "

Jene Zuflucht zum Buddha, die vertrauende Anhänger ganz am Anfang ihres religiösen Weges nehmen, die erfolgte beim Mönch Devadatto erst nach fünfunddreißig Ordensjahren, aber sie erfolgte immerhin - und darum hatte der Buddha ihn aufgenommen. Zwar wird er - so heißt es - für seine Taten bis zum Ende dieses Äons in der Hölle bleiben, aber danach wird auch er den Heilsweg beschreiten - durch die bittere Strafe endgültig von den Trieben abgeschreckt.

König Ajatasattu aber wurde seines Lebens nicht mehr froh. Er ward Tag und Nacht von Gewissensbissen geplagt, denn er hatte seinen Vater töten lassen, hatte seine Mutter durch Gram darüber sterben lassen und hatte die Mordanschläge Devadattos gebilligt. Er siechte dahin, und böse Träume brachten ihm einen Vorgeschmack der Höllenqualen, die ihn erwarteten. Da war es ihm zunächst eine willkommene Abwechslung, dass König Pasenadi von Kosalo, der Freund seines Vaters, einen Krieg gegen ihn begann, um ihn als mehrfachen Mörder abzusetzen. Dieser "Kreuzzug" für die "Gerechtigkeit" war der einzige Krieg, der während der fünfundvierzig Wanderjahre dcs Buddha im Gangestal stattfand. Das Kriegsglück wogte hin und her, schließlich aber siegte Pasenadi, und es kam zu einem Versöhnungsfrieden, in dem Ajatasattu die Tochter Pasenadis zur Frau bekam. So konnten die Mönche, die durch den Krieg in ihrer äußeren Bewegungsfreiheit und Lehrtätigkeit eingeschränkt waren, wieder frei zwischen den beiden Großreichen wandern.

Ajatasattu suchte bei den verschiedenen Sektenführern Rat, um seinen Seelenfrieden wiederzufınden. Er fragte sie nach dem Lohn der Asketenschaft, das heißt nach dem inneren Gewinn an Glück, aber erhielt keine sinnvolle Antwort. Da riet ihm sein Hofarzt Jívako, den er von seinem Vater übernom men hatte, zum besten Arzt zu gehen, zum Buddha. Das tat er auch und erhielt von ihm eine ausführliche Antwort über den Heilsweg, der über Tugend zur Vertiefung und Weisheit führt und damit zum höchsten Lohn der Asketenschaft. Am Ende dieser umfassenden Lehrrede (Digha Nikaya 2) fiel der Maharaja schließlich dem Buddha zu Füßen, nahm die dreifache Zuflucht und bekannte vor allen Anwesenden, Mönchen und Hofleuten, sein größtes Vergehen, dass er nämlich seinen Vater, den gerechten Landesvater, ums Leben gebracht habe. Der Buddha erwiderte, dass dies Vergehen einzusehen und zu bekennen, schon ein Fortschritt sei. Nachdem der König fort war, sagte er zu seinen Mönchen: "Untergraben hat dieser König seine Wurzeln, sich selbst schwer geschädigt: Hätte er nicht den Vater, den gerechten wahrhaftigen Königs seines Lebens beraubt, dann wäre ihm noch auf diesem Sitz das abgespülte Auge der Weisheit aufgegangen."

In vielen Lehrreden schildert der Buddha immer wieder, wie man durch Untugend das Gute untergräbt und sich so schwer schädigt. Zwar konnte Ajatasattu seine selbstgewirkten Höllenqualen durch nun gutes Verhalten erheblich verkürzen und brauchte längst nicht bis zum Ende des Äons, wie Devadatto, zu leiden, aber verhindern konnte er sie nicht. Und er wurde überdies von seinem eigenen Sohn ermordet und dieser wiederrum von seinem Sohn. Nachdem so drei Könige Magadhas Vatermörder gewesen waren, erhob sich das Volk gegen diese mörderische Dynastie - und endlich kam als einer der Nachfolger Ajatasattus der weise König Asoka auf den Thron, der große Förderer und Beschützer der Lehre.

 

 Quelle: Das Leben des Buddha, von Hellmuth Hecker.

 

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