Der Hinblick auf den Kreislauf der Wesen (Samsara) zeigt: Alle Wesen sind durch ihre Taten das geworden, was sie sind, auch die höchsten Götter. Und es gibt kein Lebewesen - in dem uns zugänglichen Bereich vom winzigsten Käfer bis zum riesigen Elefanten oder in jenseitigen Bereichen vom niedrigsten Lebewesen bis zum höchsten - das sich nicht auf dieser endlosen Wanderung befindet. Es gibt nach dem Erwachten keine Lebensform, von der niedrigsten bis zur höchsten, in der nicht jeder Mensch schon unzählige Male gelebt hätte.

 

Die drei großen Daseinsbereiche in der Lehre des Buddha umfassen zunächst den unteren Bereich, die Welt des Begehrens (kama-loka).

In diesen Existenzweisen, zu denen auch der Menschenbereich gehört, empfinden die Wesen sich als unvollkommen, sie finden nicht ausreichend Glück in sich selbst und sehnen sich danach, was außer ihnen ist. Es ist die Welt der fünf Sinne, wir kennen nur einen kleinen Teil dieses Daseinsbereiches, nämlich die Ebene der Menschen und Tiere und ihrer Umwelt. Es gehören zu diesem Daseins– oder Existenzbereich:

1. Hölle (niraya)

Schon in der Menschenwelt erleben manche Wesen als Ernte ihres früheren Wirkens unvorstellbare körperliche Schmerzen durch Krankheit, Unfall, Folter, Krieg. Und doch ist die Menschenwelt noch der Daseinsbereich, in welchem die Wesen wiedererscheinen, die dunkel/licht gemischt gewirkt haben. Doch für Wesen, bei denen „das dunkle Wirken, das einzig dunkle Folgen hat“, überwiegt, geht die Ernte an körperlicher Qual über unser Fassungsvermögen hinaus. Sie ist die Erscheinungsweise und der Inbegriff der äußersten körperlichen Schmerzen. Die Qual des Erlebens dieser Erzhölle schaffen sich Menschen, die zu „Teufeln in Menschengestalt“ mit dem finstersten Herzen geworden sind, die andere gequält und gemordet und misshandelt haben.

Die Beschreibungen des Erwachten über die Höllen und die Taten und Eigenschaften, die dahin führen, weisen in vielen Punkten eine verblüffende Übereinstimmung mit christlichen Aussagen über die Hölle auf. Bei derartigen Aussagen ist allerdings eine gewisse Vorsicht am Platze, da durch die sehr konkreten Schilderungen leicht die Meinung aufkommen kann: "Ein jeder, der so und so übel gelebt hat, gelangt in die Hölle", vor welcher Feststellung der Erwachte ausdrücklich warnt. "Die Frucht der Taten ist etwas Unerfassbares", sagt der Erwachte an anderer Stelle, über das man nicht nachdenken solle, sich nicht festlegen solle. Man kennt bei sich selber ja oft nicht einmal die Motive, die einen veranlassten, dieses oder jenes Üble zu tun, wieviel weniger bei anderen, und weder bei uns noch bei anderen kennen wir die Ansammlung der noch latenten Ernte früherer Taten. Darum hielt sich der Erwachte auch zurück mit einer genauen Zuordnung bestimmter Taten zu einem genau entsprechenden Erleben, sondern beschränkte sich vorwiegend auf die Nennung übler Gesinnung:

"Dem Zorne frönen, Raub begehn, Betrug, Verrat, habsüchtig geizen, eitel sein und neidverzehrt, gelüstig, unbeständig, andern Unrecht tun, an Gier und Hass, an Rausch und Wirrsinn da gewohnt: Bei solcher Sitte ziehn sie ein den rohen Duft, in Höllen sinkend, abgekehrt der Brahmawelt. (Digha Nikaya 19)

2. Tierheit (tiracchana)

Es gibt „Tiere in Menschengestalt“ (wölfische, hündische, schweinische, raubtierartige), die schon hier ihre nächste Existenz anzeigen, die andere zu kurz kommen lassen, nur egozentrisch an sich denken, in Völlerei und Wollust aufgehen, ohne höhere Ziele. Der Erwachte sagt, man könne die Leiden der Tierheit durch Worte kaum erfassen. Uns ist dies Verständnis durch zwei Gründe sehr erschwert. Erstens denken wir bei Tieren fast nur an die Haustiere wie Hunde und Katzen, die noch relativ glücklich leben. Das aber sind, wie der Erwachte sagt, solche Wesen, die in früheren Leben zwar untugendhaft waren, aber doch anderen etwas abgegeben hatten, deshalb erleben sie nun, dass ihnen leicht Nahrung gegeben wird. Und zweitens berücksichtigen wir nicht, dass die tierische Daseinsform auf unausdenkbar lange Wiederholung in der gleichen Ebene ausgerichtet ist.

3. Gespenster (peta)

Der Hades der griechischen Mythologie, das Schattenreich der Germanen, der Bereich der „Armen Seelen“ im Christentum heißt in Indien Gespensterwelt: Eine Stätte für Wesen, die für die Hölle noch zu gut, für Menschen– und Götterreiche aber schon zu schlecht sind. Wer voll Geiz, Neid und Eifersucht blind für den Nächsten war, der schafft durch solch gespenstisches Wirken für sich auch eine künftige Gespensterwelt. Die Gespensterwelt ist, wie der Erwachte sagt, meist von Wehe erfüllt, nur mit wenig Ruhe.

Der Pali-Begriff, der in der buddhistischen Literatur allgemein mit "Gespenst" übersetzt wird, heißt "peta" oder die weibliche Form "peti". Die wörtliche Übersetzung dieses Begriffs heißt "dahingegangen" oder "vorangegangen". Damit sind also alle gestorbenen Menschen, die uns Vorangegangenen gemeint, die abgeschiedenen Seelen.

Die zweite Bedeutung des Begriffs ist die engere, und diese ist es, die meist mit "Gespenst" übersetzt wird. Der Name "Gespenst" für jene im allgemeinen traurigen, elend lebenden Wesen ist einer der möglichen Begriffe. Fast ebenso bekannt ist der Begriff "Geist", und es ist tatsächlich so, dass die meisten zu okkultistischen Sitzungen sich meldenden "Geister" - sofern die Erscheinungen "kein Theater" sind - eben solche Gespenster (peta) sind. Diese Erscheinungen sind so bekannt, dass die katholische Kirche neben dem Tag, der dem Gedenken der Heiligen gewidmet ist (Allerheiligen), auch noch einen "Allerseelen" genannten Tag geschaffen hat. Es war der heilige Odilo von Cluny (962-1048), der diesen Tag eingeführt hat, um dieser Geister ("Arme Seelen") zu gedenken und ihnen das Gebet der Gläubigen zuzuwenden.

Der Gedanke, dass man einem Verstorbenen etwas zuwenden könne, mag uns befremden. Man denkt an die Karma-Lehre, an das eiserne Gesetz: Du selber hast geschaffen, du selber zu ernten. Danach erscheint es wie ein Widerspruch, dass den dahingeschiedenen Wesen durch das Gedenken und die Fürbitte anderer geholfen werden könne. Aber das erscheint nur dem oberflächlichen Blick so. In Wirklichkeit gehört auch dieses Phänomen, dass einem Wesen durch Vermittlung anderer Wesen geholfen werden kann, mit zur Karmalehre. Wir haben uns irgendwann so verhalten, dass andere nun für uns bitten. Wir haben ja auch hier in diesem Leben Eltern, Geschwister, Menschen, die uns lieben, die für uns sorgen. Auch wenn wir "tot" sind, fortgegangen aus diesem Bereich, so denken diese Wesen doch weiterhin noch an uns in Sehnsucht, Hoffnung und Erwartung.

4. Menschentum (manussa)

Der Mensch erlebt nicht so viel Leiden, wie in den vorher beschriebenen Unterwelten, aber auch nicht so viel Wohl, um das Leiden zu vergessen, wie in den Götterwelten. Das Gemisch von Wohl und Wehe im Menschentum bietet auch die Möglichkeit für Religionen und besonders für das Erscheinen von Buddhas, um die Weisheit zu finden und zu lehren. Der Buddha bezeichnet daher das Menschentum, von der geistig-seelischen Möglichkeit her, auch als guten Gang. Jedes Wesen, das Mensch geworden ist, konnte es nur auf Grund eines guten Wirkens, das über die Abwege von Hölle, Tierheit, Gespensterwelt hinaus Verdienst besaß. So verdient jeder Mensch Achtung und Respekt, das ist die tiefere Grundlage für Humanität und Mitmenschlichkeit. Andererseits setzt menschliche Inkarnation keineswegs Engel in Menschengestalt voraus. Und ein Mensch kann sein gutes Wirken, das ihn Mensch werden ließ, unheimlich schnell aufzehren und verspielen und ein Teufel in Menschengestalt werden. Die Menschheit lebt in der Spannung zwischen dem Geistigen und dem Weltlichen.

Wer die Erkenntnis von der Zwiespältigkeit des Menschen gewonnen hat, der unterscheidet die Menschen, wenn er zu einer Unterscheidung veranlasst wird, nur noch nach zwei Gesichtspunkten: nach dem Maß, in welchem jene beiden Elemente in ihm vorhanden sind, und ferner - und das ist die wesentliche Unterscheidung - nach dem Maß, in welchem der Mensch um Mehrung und Stärkung seines geistigen Wesens sich müht, "seine weltüberlegene Fähigkeit nutzt".

Alle Buddhas haben in der Menschenwelt die Buddhaschaft erlangt, denn hier besteht auch die Möglichkeit zu zielstrebigem hellen Wirken. Darum nennt der Erwachte das Menschentum eine günstige Laufbahn, in der die seelischen Fähigkeiten verbessert bis vervollkommnet werden können, wenn der Mensch rechte Anschauung gewinnt über das, was der Aufmerksamkeit wert und was der Aufmerksamkeit unwert ist, was anzustreben sich lohnt und was nicht der Mühe lohnt.

 

5.– 10. Übermenschliche Existenz, Götter (deva)

Es gibt im untersten sinnlichen Daseinsbereich 6 himmlische Dimensionen, Ebenen.

Ihr Wohl wird in vielen Berichten im Kanon so gekennzeichnet: Sie kennen keine Sorge um Lebensnotdurft, kein Leiden körperlicher Geburt, keine Unschönheit, sondern ihr feinstofflicher Leib ist bis auf die letzte Zeit schön, jung, rüstig und gesund. Sie können sich mit großer Schnelle überall hinbewegen. Irdische Materie ist für ihren feinstofflichen Leib kein Hindernis, sie sehen und gehen durch diese hindurch, sowie noch einige andere gewichtige Vorteile.

Dem Menschenbereich am nächsten ist der Daseinsbereich der Götter der Vier Großen Könige. Die Götter der vier großen Könige (catu-mmaharajika-deva), sozusagen die erste Götterwelt eines veredelten Menschentums, lässt sich durch zwei Wesenszüge kennzeichnen: größere Liebe zur Tugend als bei den Menschen und größere Genussmöglichkeit als bei den Menschen, beides innerhalb einer starken Sozialbindung. Berichte in Mythen, Sagen und Legenden und mediale Berichte über himmlische Wesen und gute Geister, Feen und Engel beziehen sich meist auf diese unterste Gruppe der sinnlichen Götter. Sie leben wie Menschen in Beruf, Familie und Staat in wohlgeordneter sozialer Hierarchie und Bindung und haben alle bestimmte Funktionen zu erfüllen, vor allem als Schutzgeister für die Menschen.

Götter der Dreiunddreißig (tavatimsa). Vieles ist über die Götter dieser zweiten Klasse der sinnlichen Götter überliefert: Ihre fürstliche Pracht und Schönheit. Ihre himmlische Landschaft, die zu einer dortigen Wiedergeburt führenden Tugenden, die Rolle ihres Oberherrn Sakka und anderer namentlich genannter Götter.

Gezügelte und selige Götter (yama– und tusita-deva). Im Bereich der seligen Götter (tusita-deva) wurde z.B. der große Wohltäter des Ordens, Anathapindika, wiedergeboren, ebenso die Königin Mallika. Auch Maya, die Mutter des Erwachten, wurde dort nach ihrem Tod wiedergeboren, und der Erwachte besuchte sie dort und brachte sie zum Verständnis der Lehre. Der Erwachte selbst hatte sein vorletztes Leben in jenem Himmel verbracht, bevor er als Sohn der Maya in sein letztes Dasein wiedergeboren wurde.

Schaffensfreudigen Götter (nimmanarati-deva). Im Unterschied zu den bisherigen Existenzweisen, lassen diese Wesen ihren Willen derart um Sinnendinge kreisen, dass sie diese ständig erzeugen: das sind die schaffensfreudigen Götter. Sie schaffen sich selbst das, was sie wünschen, jetzt im Augenblick, in der gegenwärtigen Existenz.

Selbstgewaltige Götter (deva-para-nimmita-vasavattina). Der Erwachte sagt von ihnen: Es gibt Wesen, die auch noch die Schöpferlust hinter sich gelassen haben. Ohne Schöpfungsbedürfnis ruhen sie still in sich, sie sehen dem Treiben der anderen mit ihren Schöpfungen nur noch zu. Sie lassen ihren Willen um die von anderen erzeugten Sinnendinge kreisen.

 

Es folgt der nächste große Bereich, die Formwelten (rupa-loka).

11.— 14.  Die Formwelten - Wohlbereich

Innerhalb des Formbereichs bilden die Brahmagötter die erste Stufe im Wohlbereich. Der Erwachte sagt von ihnen: „Es gibt Wesen, die im fortwährenden Entwickeln von Wohl verweilen. Das sind die „Götter brahmischer Kreise“. Solange ein Brahma nicht in den Strahlungen (brahmavihara) oder in den weltlosen Entrückungen (jhana) verweilt, in denen er auch Wesen seiner Sphäre nicht zugänglich ist, überschaut er die unaufhörlichen Wandlungen eines Weltsystems und erlebt dadurch unmittelbar jeden Augenblick in höchster Anschaulichkeit die Unermesslichkeit seines eigenen Wesens, das von diesen Wandlungen nicht berührt wird.

Zweitens gibt es die Leuchtenden (abhassara). Diese Götter kennen nur zwei Lebensweisen: sprachloses schweigendes Wohl und manchmal des Ausdruck des Entzückens über die erfahrene Seligkeit. Von diesen Göttern wird gesagt, dass sie selbstleuchtend seien. Sie erfahren weder Sonne noch Mond wie noch in der Brahmawelt. Sie kennen nur zwei Lebensweisen: sprachloses schweigendes Wohl und manchmal den Ausdruck des Entzückens über die erfahrene Seligkeit.

Drittens gibt es die Strahlenden Götter (subhakinna). Diese sind ganz von Wohl (sukha) durchtränkt. Sie leben beseligt ein gar stilles Wohl. Die Strahlenden sind gebadet und gesättigt in Schönheit. Der Glanz ihrer Strahlen ist das innere Licht, das aus der Helligkeit des eigenen Gemüts ausstrahlt. Ihre Lebensdauer währt drei Weltzeitalter.

Viertens gibt es die Reichgesegneten Götter (vehapphala), die man kaum noch beschreiben kann. Diese Erfahrung setzt die Reife der vierten weltlosen Entrückung, Schauung voraus. So leben die reich gesegneten Götter 500 Weltzeitalter lang.

In allen diese vier Bereichen der formhaften Selbsterfahrnis finden wir eine Götterart, die sich von den Geistwesen dieser Bereiche unterscheidet, obwohl sie dort erscheinen. Es sind die Reinhausigen Götter (Suddhavasa). Diese Reinhausigen sind allesamt Nichtwiederkehrer und daher den anderen Göttern ihres Bereiches unendlich überlegen, weil sie auf Grund ihrer Anschauung und der entsprechenden Entwicklung ihres Herzens sich zwangsläufig immer weiter aufwärts entwickeln, bis sie das Nibbana erlangen.

 

Der dritte große Daseinsbereich sind die formlosen Existenzen (arupa-loka).

15.—18. Formlose Welten

Die dritte und letzte der drei Welten oder Daseinsbereiche, die formfreie Selbsterfahrnis erreichen Wesen, die dem Herzensfrieden so nahe sind, ihn so oft erfahren haben, dass ihnen jegliche Form zuwider ist.

Dieser Daseinsbereich beginnt mit den „Raumunendlichen Göttern“. Wörtlich: „Die im Gebiet des unendlichen Raumes erscheinenden Götter (bzw. Wesen)“.

Danach folgen die „Bewusstseinsunendlichen Götter“,

die „Götter der Nichtdaseinssphäre“ sowie

die „Götter der Grenzscheide möglicher Wahrnehmung“.

 

bar007_gray.gif

Diese achtzehn Existenzebenen sind letztlich nichts anderes als das in Erscheinung treten einer Skala von Trieben, von Gier, Hass und Verblendung, die das eigentliche „Etwas“ sind. Sie zeigen im Längsschnitt alle Möglichkeiten karmischer Ernte, von den dunkelsten bis zu den hellsten an.