Der Vajrayana-Buddhismus in Tibet.

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Tibet wird oft "das Dach der Welt" genannt, und die Tibeter selbst bezeichnen ihre Heimat als "Schneeland". Der größere Teil Tibets ist fraglos in außergewöhnlicher Höhe gelegen (vier- bis fünftausend Meter über dem Meeresspiegel), doch wird Tibet auch von breiten und fruchtbaren Tälern durchschnitten, die vom Brahmaputra und von seinen Nebenflüssen bewässert werden. Tatsache ist, dass die Tibeter ursprünglich ebenso rau und gewalttätig waren wie ihre klimatische und geographische Umgebung- Der Buddhismus hat dieses Volk völlig verwandelt und Tibet zu einem der religiösesten Länder der Welt gemacht.

Im Westen hat man Tibet immer für ein verschlossenes Land gehalten, und tatsächlich ist es dies immer noch, trotz der Touristen, denen die Chinesen in den letzten Jahren gestattet haben, Lhasa und einige andere Orte zu besuchen. Dies war jedoch keineswegs immer so. Tibets Zeit politischer und militärischer Größe in Asien war bereits im 7. - 9. Jahrhundert n.Chr., und damals übernahmen dieTibeter zahlreiche kulturelle Errungenschaften von ihren Nachbarvölkern. Vom 7. Jahrhundert an öffnete die Berührung mit dem Buddhismus Tibet für die indische Kultur und bis zum Verschwinden des Buddhismus in Nordindien im 13. Jahrhundert floß über die Himalayapässe ein beständiger Strom von Pilgern und Gelehrten, die Tibet schließlich in das tiefgreifend buddhistische Land verwandelten, das es bis zum heutigen Tag geblieben ist. Bald wurden die Tibeter sogar selbst Sendboten der neuen Religion, und im 16. Jahrhundert gelang es ihnen, ein ganzes Volk, die Mongolen, zur tibetischen Form des Buddhismus zu bringen. Etwa zur selben Zeit gerieten große Teile des östlichen Himalaya in den kulturellen Einflussbereich des tibeteschen Buddhismus, was die Bildung der Staaten Sikkim und Bhutan zur Folge hatte; letzterer vermochte seine Souveränität zu behaupten und besitzt heute als einziges Land in Asien den Mahayana-Buddhismus als Staatsreligion. Tibet war also alles andere als ein abgeschlossenes Shangi-la und spielte ganz im Gegenteil lange Zeit hindurch eine entscheidende Rolle in der Geschichte Zentral- und Ostasiens.

Vajrayana, Tantrayana, Mantrayana, Lamaismus - so viele Namen, so viele Gesichter hat der tibetische Buddhismus. Sehr unterschiedliche Quellen sind in ihm zusammengeflossen, und es ist kaum noch möglich, sie sauber zu trennen. Der nationale Leim, der sie verbunden hat, wird von den Tibetern selber noch stets weiter benutzt, um die einmalige Kultur, die daraus entstanden ist, als Einheit ansehen zu können.

Die Komplexität mönchischen Strebens in diesem Land, das als letzte größere Region in diesem Teil der Welt die buddhistische Lehre mit rückhaltloser Aufnahmewilligkeit empfing, rührt zunächst vom Zeitpunkt der Bekehrung her, der die Übernahme der indisch-buddhistischen Traditionen ermöglichte. Tibetische Mönche folgten denselben Ordensregeln wie die Schulen des Hinayana, ihre Philosophie war die der Mahayana-Schulen (insbesondere der Madhyamaka), und ihre Praxis in Meditation und Ritual entstammte hauptsächlich der tantrischen Vajrayana-Schule.

Die meisten Überlieferungen über die Einführung des Buddhismus zeigen ein legendenhaftes, fast episches Bild.

Unter dem zentraltibetischen König Söngtsen Gampo (Regierungszeit 617-649) begann der Buddhismus in Tibet erstmals wirklich Fuß zu fassen, auch wenn es zu dieser Zeit nur wenige Buddhisten gab und ihre Tempel schlichten Kapellen ähnelten. Songtsen Gampo nahm sowohl eine nepalesische Prinzessin, Bhrikuti, als auch die chinesische Prinzessin Wen Cheng zur Frau. Beide waren überzeugte Buddhistinnen und brachten dem König die Lehre Buddhas nahe. Religion war damals noch der Bön.

Der tibetische König Thrisong Detsen lud in der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts die indischen Meister Padmasambhava und Shantarakshita nach Tibet ein, um dort den Buddhismus zu verbreiten. Sie gründeten das erste buddhistische Kloster Samye-Ling, welches sich zum wichtigsten Lehrzentrum der damaligen Zeit entwickelte. Padmasambhava lehrte vor allem die tantrischen Aspekte des Buddhismus und bezwang, nach der Überlieferung, die Geister und Dämonen Tibets, weshalb sich der Vajrayana-Buddhismus in Tibet durchgesetzt haben soll.

Die Übersetzung des Tripitaka und der äußeren Tantras aus dieser Zeit ist Grundlage der Lehrsammlungen aller tibetischen Schulen geworden. Es ist der tibetische Kangyur.

Der tibetische Buddhismus lässt sich grob in vier größere Schulrichtungen einteilen:

1. Die aus der ersten Übersetzungsphase entstandene Schultradition nennt man Nyingma, wörtlich "Die Alten". Sie wird aufgrund ihrer frühen Entstehung auch als die Schule der „Alten Übersetzungen“ bezeichnet und unterscheidet sich insbesondere in den sog. inneren Tantras von den später entstandenen Schulen. Vom 8. bis zum 11. Jahrhundert war die Nyingma-Tradition die einzige buddhistische Schule in Tibet. Die Nyingmapa sehen Padmasambhava als ihren Gründer an.

2. Die Kagyüpa-Schule hält weniger vom Studium des Schrifttums. Der Name der Schule bedeutet soviel wie "durch das Wort überliefert". Die berühmteste Gestalt dieser Schule ist Milarepa, eine der lebendigsten und interessantesten Figuren aus der Geschichte des Buddhismus (Buchempfehlung: Milarepa - Tibets großer Yogi, von W.Y. Evans-Wentz).

3. Die Sakyapa-Schule wurde im Jahre 1073 von Drog mi begründet, einem Übersetzer, der in Indien jahrelang bei vielen spirituellen Meistern studiert hatte. Die Sakyapa sind für ihre Gelehrsamkeit bekannt. Ihr größter Gelehrter war der hochberühmte Butön, der im vierzehnten Jahrhundert lebte. Er stellte den Kanjur und den Tanjur zusammen; seine Sammlung buddhistischer Texte in diesen Ausgaben gilt allen Schulen als Grundlage und autoritative Richtschnur.

4. Die Gelugpa bilden, wörtlich übersetzt, die Tugendschule. Sie wurde im 14. Jh. von Tsongkhapa gegründet. Er ist zweifellos einer der größten Gestalten des tibetischen Buddhismus. Sein Leben ist gut belegt. Während seiner Lebenszeit gründeten seine Schüler in und um Lhasa, der Hauptstadt Tibets, drei große Klöster: Ganden, Sera und Drepung. Sie existieren bis heute. Im Ganden-Kloster lag einige Generationen später der Ursprung der Linien des Dalai Lama und des Panchen Lama.

Eine ausführlichere Darstellung ist an dieser Stelle leider nicht möglich. Es gibt zahllose Bücher über die Geschichte des Buddhismus in Tibet, die auch zu empfehlen sind. Als Beispiele seien genannt: "Einführung in den tibetischen Buddhismus" von Sangharakshita. "Die vierzehn Wiedergeburten des Dalai Lama" von Karl-Heinz Golzio/Pietro Bandini sowie "Mein Leben und mein Volk" vom Dalai Lama. Eine besondere Darstellung gibt Michael von Brück mit seinem Buch: "Religion und Politik in Tibet".

Wie aber ist im Spiegel unserer Untersuchung über die geschichtliche Entwicklung der Lehre des Buddha das Land Tibet zu betrachten?

Tatsache ist, dass die Mystik des Mahayana in Tibet eine zweite Heimat fand. Der tibetische Buddhismus hat dieses Erbe weit mehr bewahrt und gepflegt als der südliche Buddhismus. Es gibt wohl kein Land der Welt, in demes relativ zur Zahl der Bevölkerung so viele nach Erlösung und Überwindung des Leidens strebende religiöse Inklusen, Einsiedler, Mönche und Weise gegeben hat wie in Tibet, und das seit dem Mittelalter bis in unser Jahrhundert. Diese mystische Ausrichtung bedurfte immer wieder großer Vorbilder, um niederziehende Kräfte und Ansichten auszusondern. Die drei bedeutendsten unter ihnen sind: Der Inder Ashita, und die Tibeter Milarepa und Tsongkhapa.

Atisha (980-1055), aus königlichem Geschlecht, unterband die willkürliche Auslegungen der Lehre und förderte eine vertiefte Besinnung auf den ursprünglichen Geist der Erwachung. Er gründete die tugendhafteste Schule (Kadampa), die dann von Tsongkhapa erneut reformiert  wurde.

Milarepa (1040-1123) ist unbestritten der eindruckvollste und bedeutendste Mystiker Tibets. Gerade weil er in der Jugend schwarzer Magie verfallen war und Übles gewirkt hatte, konnte er solche Abwege um so tiefer entlarven und überwinden. Er erlebte mannigfaltige mystische Zustände und charismen und war, wie Johannes vom Kreuz, ein großer religiöser Dichter.

Tsongkhapa (1357-1419) reformierte die Kadampa und gründete so die Gelugpa (Tugend-Schule), die sog. Gelbe Kirche, zu der die Dalai Lamas gehören. Wie der Name sagt, befestigte er die Tugend, besonders die der Mönche, und drängte Abwegiges anderer Sekten zurück, womit er den drohenden Verfall und Untergang des Buddhismus in Tibet um 500 Jahre hinausschob. Gedün Drub (1438-1475), einer seiner bedeutendsten Schüler, wurde der I. Dalai Lama.

Obwohl die Gelbmützen die Tugend zur Grundlage ihres Mönchstums machten, verfiel die Gelbe Kirche doch im Laufe der Jahrhunderte. Scholastische Gelehrsamkeit, Ritualismus, Scharlatanerie, magische Praktiken, grausame Verirrungen und Hexereien sowie "links-tantrische" Einflüsse des sog. "direkten Pfads" und nicht zuletzt auch die machtpolitische Betätigung der Dalai Lama-Herrschaft führten dazu, dass die Mystik langsam aus dem Leben der Gelben Mönche verschwand.

Andererseits ergab sich das Paradoxon, dass die nichtreformierten alten "roten" Sekten trotz ihres linkstantrischen Ballasts die erzwungene Kaltstellung im politischen Leben nicht selten dazu benutzten, den Weg nach innen zu gehen und die mystische Dimension zu erfahren. Die Stillen im Lande, die namenlosen Mystiker Tibets, gab es in beiden Gruppierungen, bei den "Roten" und den "Gelben". Und erst als äußere Techniken und sonstige Verfallserscheinungen überhand nahmen, erlitt Tibet die Tragödie der chinesischen Invasion.

Im Rückblick: Als der Islam nach Indien einbrach, konnte er nur deshalb den Buddhismus so gründlich vernichten, weil dieser bereits meist innerlich verdorben war. Die Mystik verschwand langsam aber sicher. In der letzten Phase des untergehenden Buddhismus wurde auch noch die Tugend preisgegeben. Das geschah nicht zuletzt durch die Siddhas oder gar Maha-Siddhas (Große Magier), wie sie genannt wurden. Da das Mönchtum zur trockenen Scholastik geworden war, fanden manche Mönche, dass es sich nicht lohne, dafür einer strengen Disziplin zu folgen. So warfen sie denn die Ordenstugenden leichter über Bord und priesen das als Befreiung. Diese Aussteiger waren unruhige Geister, die anfangs durchaus noch niedere magische Fähigkeiten besaßen und dadurch imponierten. Ihre Magie war noch nicht schwarz (d.h. teuflisch, bösartig), sondern könnte als grau bezeichnet werden. Alkoholgenuss, freie Sexualität usw. waren üblich -womit schließlich auch die magischen Fähigkeiten verloren gingen und sie Opfer ihrer eigenen Hemmugslosigkeit wurden. Dies Siddhas ähnelten sehr den Freigeistern des christlichen Mittelalters, die aus der Ordnung der Kirche nach unten ausbrachen, während Meister Eckehart nach oben ausbrach. Die Geschichten der 84 Mahasiddhas sind im tibetischen Kanon als Buddhismus aufgenommen worden.

Diese Siddhas fanden im hinduistischen Tantra willkommene intellektuelle Vorgaben für ihre Zügellosigkeit. Das Tantra der Hindus kann als Aufstand von unten gegen die Religiösität angesehen werden, als Aufstand der sinnlichen Triebe gegen ihre Zügelung. Dabei trat der Haupttrieb, der erotische, in den Mittelpunkt. Alles wurde der männlich-weiblichen Dualität untergeordnet. Jede Gottheit bekam ihre weibliche Entsprechung (Shakti). Die stärkste sinnliche Kraft wollte man manipulieren und mit ihr religiös sein, was natürlich ein Unding ist. Es ging hier nicht um Sublimation, sondern im Gegenteil um Verstärkung und Potenzierung.

Dazu sagt Shashi Bhusam Dasgupta in "Organ des Ariya Maitreyya Mandala", Das Licht des Dharma, Heft V/1953:

"Wenn wir den Tantra-Buddhismus kritisch untersuchen, dann werden wir feststellen, dass zwischen dem Tantrismus und dem eigentlichen Buddhismus keine organische Beziehung besteht. Es stimmt nicht, dass der Buddhismus im Zuge der Entfaltung seines Lehrkomplexes das entwickelt hat, was wir als die mannigfaltigen Praktiken des Buddhismus kennen. Kurz: Der Buddhismus hat die Tantras nicht aus sich selbst entwickelt."

Der Begriff "Tantra" wurde dabei aber sowohl im Hinduismus als im Buddhismus in zwei Formen gebraucht, als linkswendiger (erotischer) und als rechtswendiger (meditativer). Und so finden sich unter den Gestalten der 84 Siddhas auch einige wenige Mystiker und feine Gestalten. Außer den 84 Mahasiddhas gab es dann noch viele andere Siddhas, die alle der Erotik verfallen blieben.

Eine der beliebtesten Praktiken des linkswendigen Tantra sind die sogenannten "fünf M", nämlich im Sanskrit: maithuna (Sex), mamsa (Fleisch essen), matsya (Fisch essen), mudra (Zauberei), mada (Alkohol). Jede dieser Hemmungslosigkeiten (Sex, Tiere morden, berauschende Getränke und Mittel nehmen) wird in einem Ritual institutionalisiert, um angeblich die Freiheit von Regeln zu demonstrieren. Diese Texte dem Buddha in den Mund zu legen, zeigt immerhin noch, dass man noch das Gefühl hatte, eine Rechtfertigung zu benötigen.

Das ganze Tantra-System besaß folgende Kennzeichen:

1. Es wurde als schneller Weg, als direkter Pfad bezeichnet, im Gegensatz zu dem für menschliche Ungeduld zu langen und mühsamen Weg der Läuterung. In Wirklichkeit ist es der schnelle Weg nach abwärts und die Garantie, nie zum Heil zu kommen, solange man dabei bleibt. Es ist also der längste und schmerzlichste Weg - der über Höllen führen mag.

2. Man gab zu, dass der Weg gefährlich werden und das der Adept verrückt werden könne. Darum wurde vieles geheim gehalten und sollte nur vom Lehrer überliefert werden. Der Buddha nennt ja auch als deutliches Merkmal falscher Lehren die Geheimniskrämerei, während seine Lehre offen wie die Sonne leutet und nichts zu verstecken brauche.

3. Wenn die Unmoral des Tantra kritisiert wurde, machte man sofort einen Zurückzieher und behauptete, die erotischen Bilder z.B. seien symbolisch gemeint für die Vereinigung von Theorie (Weisheit) und Praxis.

Nachdem nun die Verderblichkeit des linken Tantra erörtert worden ist, fordert es die Gerechtigkeit, auch dem rechten Tantra das Wort zu erteilen. Ja, viele Tibeter denken bei Tantra überhaupt nur an dieses.

Das Besondere der tibetischen Meditationspraxis ist eine Systematisierung des Visionsweges durch die Mandala-Technik. Das Tantra prägte Mantra, Yantra, Mudra als Mittel der Konzentration des Denkens, um es von weltlicher Vielfalt abzuziehen. Die Diagramme und Kreise (Mandala heißt "Kreis") hatten den Sinn, den Geist auf einfache Grundstrukturen zu fixieren und in ihnen die gesamte Welt als Projektion des Geistes, als Blendwerk der Einbildungskraft zu erfassen. Der Schüler eines Lama lernte in monate- oder jahrelanger Konzentration, durch Gedankenkraft Vorstellungsbilder zu schaffen, die dann automon wurden und als "Geister" sogar von anderen wahrgenommen werden konnten. Dann aber übte er sich in ebenfalls langem Bemühen, seine Projektionen wieder aufzulösen. Das scheint rein logisch sinnlos: Wozu erst mühevoll etwas schaffen, um es dann doch wieder aufzulösen? Der Übende erfuhr jedoch dabei die tiefe Wahrheit der Maya: "Götter und Dämonen, ja das ganze Weltall, alles ist nur Blendwerk, das im Geiste sein Dasein hat, aus ihm entsteht und sich in ihm wieder auflöst." (Alexandra David-Neel, Heilige und Hexer, 1931).

Es ist doch zweierlei: die Weisheit des philosophischen Idealismus in seiner höchsten Form (als Maya) mit dem Intellekt zu begreifen oder sie selber handgreiflich und augenscheinlich zu erfahren. Hier wird sozusagen der Geist bei seinem geheimen Wirken belauscht, man kommt ihm auf die Schliche, lernt die ungeheure Macht des Geistes kennen und kann sie nun zur Läuterung einsetzen.

Wenn im Vajrayana die Dhyani-Buddhas visualisiert und projiziert werden, dann entspricht das den Visionen christlicher Mystiker von den Figuren ihrer Religion. Und wenn in der Mantra-Technik immer wieder bestimmte Sätze wiederholt wurden (z.B, Om mani padme hum), dann ist das dem Herzensgebet der Ostkirche zu vergleichen. Überhaupt war die Verwandschaft des Rituals der Gelben Kirche mit dem der Katholischen Kirche für die jesuitischen Missionare, die zuerst nach Tibet kamen, so auffällig, dass sie ganz verwirrt wurden.

So kann man sagen: In dem ungeheuer vielfältigen und bunten Ritualen des rechtswendigen Tantra findet der Abendländer, der seine religiöse Heimat im Christentum wegen dessen hohlen Dogmatismus verloren hat, wieder etwas, das sein Gemüt befriedigt und damit die religiösen Bedürnisse erfüllt. Und in dem mehr oder weniger extremen Shaktismus des linkswendigen Tantra findet der animalische Geist, dem die christliche Religion die Sexualität verteufelte, ein Ventil und eine Rechtfertigung, um die erotischen Triebe mit religiösem Etikett ausleben zu können.

Daher wird es verständlich, wieso das Vajrayana im Abendland solchen Zulauf fand und warum Buddhismus zeitweise damit gleichgesetzt wurde.

Niemand kann sagen, was die Zukunft für Tibet bringt. Nach dem ungeheuren Leid, dass die Tibeter im letzten Jahrhundert erfuhren, ist Tibet nun offiziell ein Teil Chinas.

Der jetzige 14. Dalai Lama Tendzin Gyatsho ist eine Person, die in der Öffentlichkeit für die buddhistische Lehre steht und auch den Friedensnobelpreis für sein Bemühen um den Frieden und die Erhaltung der Kultur der Tibeter erhalten hat. Er stand lange Zeit der Exilregierung in Indien vor und war und ist ein großer Botschafter des Buddhismus in der Welt. Lassen wir ihn zum Schluss zu Wort kommen:

"Verzichten Sie auf Neid und das Bedürfnis, über andere triumphieren zu wollen. Versuchen Sie statt dessen, ihnen Gutes zu tun. Heißen Sie andere mit einem Lächeln willkommen - voller Freundlichkeit, voller Mut und voller Gewissheit, dass Sie auf diese Weise nur gewinnen können. Seien Sie aufrichtig. Und versuchen Sie unvoreingenommen zu sein. Behandeln sie jeden Menschen, als sei er ein guter Freund. Ich sage das weniger als Dalai Lama noch als jemand, der über besondere Kräfte oder Fähigkeiten verfügt. Ich besitze nichts dergleichen. Ich sage es als Mensch: als jemand, der wie Sie lieber glücklich ist und nicht leiden möchte".  Aus: Dalai Lama, "Das Buch der Menschlichkeit".

 

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