Die Aufhebung der 5 Hemmungen (nivarana) gilt als unmittelbare Vorstufe zu den Jhanas, den Schauungen.

 

Unerschütterliche Geistes-Befreiung, dies ist es, was vom Buddha als das höchste Ziel seiner Lehre verkündet wurde. "Befreiung" bedeutet: die Entledigung des Geistes von allen Begrenzungen, Fesseln und Bindungen, die ihn an das Rad des Leidens, an den Kreislauf der Wiedergeburten, ketten.

Fünf solcher Begrenzungen, Hemmungen werden in den buddhistischen Schriften besonders häufig erwähnt.

  1. Sinnen-Verlangen (kamacchanda oder abhijjha)
  2. Übelwollen (vyapada)
  3. Beharren im Gewohnten (thina-middha)
  4. Geistige Unruhe (uddhacca-kukkucca)
  5. Daseinssorge, Zweifel (vicikicca)

Diese Gemütsverfassungen sind "Hemmungen" nur für einen Menschen, der von einer Heilslehre im Gemüt gepackt ist, der schon öfter mit der Aufhebung der dritten Hemmung die großen weltüberlegenen Perspektiven eingenommen und die Möglichkeit seiner Befreiung erkannt hat. Die Hemmungen verhindern aber nicht nur das Entstehend der Schauungen, sondern auch die geringeren Konzentrations-Grade, welche zur Erlangung des Klarblicks erforderlich ist. Aber auch jedes klare Denken wird durch den Einfluss der fünf Hemmungen beeinträchtigt.

Es folgt eine kurze Beschreibung der fünf Hemmungen im Einzelnen:

Die erste Hemmung: Sinnen-Verlangen, weltliches Begehren. Es ist der unbewusste Drang, Befriedigung durch die Sinne zu erfahren. Daraus gehen alle Arten des Suchens und Fieberns und Verlangens nach Sinnendingen hervor. Der Geist wird an viele Dinge zerstreut und in der Vielfaltswelt (papanca) gefesselt. Der Erwachte vergleicht einen Menschen, der in weltlichem Begehren steckt, mit einem Mann, der Schulden hat. Er ist in ununterbrochener Abhängigkeit von dem Gläubiger, gleichviel ob er es sich fühlbar macht, daran denkt oder nicht daran denkt. Er muss das Geliehene unbedingt dem Gläubiger zurückgeben. Der Vergleich der weltlichen Begehrungen mit Schulden und Darlehn taucht in den Lehrreden wiederholt auf. Übrigens wird auch im Christentum darauf hingewiesen, dass man die gesamten Dinge der Welt einschließlich des "eigenen" Lebens nicht als Eigentum betrachten dürfe, sondern nur als geliehen.

Die Triebe sind auf die Welt gerichtet, auf die tausend Dinge. Sie sind für die jeweiligen Triebe, also den Schuldner, das begehrte Plus. Aber was er auch bekommt oder besitzt, immer ist es doch nur ein Darlehen, denn aller Besitz vergeht, und spätestens im Tod muss er alles wieder zurückgeben. Nichts behält er ewig. Wer der Wegweisung des Erwachten praktisch folgt, der erfährt an sich, dass sein früheres gieriges Umherschauen nach den tausend Dingen der Welt ihn in ununterbrochener Abhängigkeit von jenen Dingen in Armut und Schulden hielt. - Wie frei aber ist einer, der von dieser Bedürftigkeit nicht mehr gejagt wird, der nicht mehr von fremdem Kapital lebt, sondern aus sich selber, in innerem Glück und Frieden.

Die zweite Hemmung: Übelwollen oder bei K.E. Neumann "Gehässigkeit". Die Grundbedeutung ist aber etwas neutraler: falsch gehen, falsch gerichtet sein. Es ist gemeint, dass der Mensch andere Wesen nicht als gleich ansieht, dass er des Nächsten Interessen für geringer ansieht als die eigenen Interessen: das ist Übelwollen, Hartherzigkeit, Kälte, verweigernde Gesinnung. Das verdunkelt und verkrampft den Geist.

Das positive Gegenteil wäre die allumfassende Liebe zu den Wesen (metta). Der Erwachte vergleicht die zweite Hemmung mit Krankheit, Siechtum. So wie dem Kranken alle seine Nahrung nicht bekommt und ihm keine Kraft gibt, so zerstört und verdirbt das Übelwollen zum einen schon die Möglichkeit, sich auch nur das Sinnenwohl schmecken zu lassen, und erst recht - und das ist sein eigentlicher Schaden - verdirbt es alles Gute, alle Harmonie, alle Freude, alle Stille.

Die dritte Hemmung: Beharren im Gewohnten. Dies wird oft interpretiert als Schläfrigkeit. Das sind aber erst Auswirkungen dieser Hemmung, während in erster Linie darunter verstanden wird die geistige Befangenheit eines Menschen in seiner normalen, gewohnten geistig-seelischen Ebene und Stimmung, seinem Gefühls- und Seinsstand, verbunden mit der momentan fehlenden Neigung, sich darüber zu erheben, sich aufzuschwingen zu Höherem - beim Sinnenmenschen also Befangenheit auf der Ebene der weltlichen Banalität, dem Beharren im Gewohnten.

"Er hat träges Beharren im Gewohnten verworfen. Frei von Trägheit verweilt er; der erkannten Wahrheit eingedenk, hebt er die beschränkte Weltperspektive auf und erfährt die Freiheit von Begrenzungen, reinigt das Herz von trägem Beharren in Gewohnten.

Es ist, wie wenn ein Mann im Gefängnis gebunden ist. Eines Tages wird er von diesen Banden befreit. Der denkt nun: `Früher war ich im Gefängnis gebunden. Jetzt bin ich von diesen Banden befreit.` Darüber freute er sich, wäre fröhlich gestimmt."

Dieses Gleichnis lässt deutlich erkennen, was mit der Aufhebung der dritten Hemmung im Menschen vor sich geht - aber richtig nachempfinden kann es nur, wer es zeitweilig erfährt.

Der normale Mensch sieht sich zwischen Geburt und Tod als den zwei Enden seines Daseins. Diese beiden Enden bilden die Wände seines Gefängnisses, über das er nicht hinausgeht. Innerhalb dieses Gefängnisses sucht er sein größtmögliches Wohl, sucht seine Feinde zu besiegen oder ihnen zu entgehen, sucht seine Freunde und seine Freuden, solange er lebt, und der Tod droht als das Ende. Das sind die Auswirkungen der dritten Hemmung. Der Erwachte aber zeigt dem Suchenden, dass Geburt und Tod keine undurchdringlichen Wände, sondern Schleier sind, dass er vor der Geburt war und nach dem Tod weiter sein wird, dass nicht der Körper das Leben ausmacht, sondern die den Körper überdauernden Triebe sein Leben bedingen, dass die qualitative Verbesserung seiner Triebe auch die Verbesserung seiner jeweiligen Lebensformen bewirkt und die völlige restlose Auflösung aller Triebe zu der restlosen Auflösung aller Wandelbarkeit, aller Verdunkelung, allen Schmerzes, alles Gewordenen, kurz des gesamten Gefängnisses, führt.

Auch wenn die beiden ersten Hemmungen gerade einmal nicht anwesend sind, so ist die ihnen gemäße dumpfe Ebene damit noch nicht verlassen. Die Aufhebung der dritten Hemmung ist also ein zusätzlicher Schritt und hebt vom Grunde her auf ein höheres Gemütsniveau.

Die vierte Hemmung: Erregbarkeit, geistige Unruhe. Nach den näheren Erklärungen des Erwachten über diesen Zustand zeigt sich, dass darunter Erregtheit, Aufgeregtheit, geistige Unruhe und Ungeduld verstanden wird, ein Hin und Her der Gedanken oder die Unruhe eines zu straffen Angespanntseins, so dass man nicht in der Lage ist, in Sammlung das zu bedenken und zu betrachten oder zu betreiben, worum es geht. Das zeigt sich deutlich daran, dass der Erwachte hierfür das Gleichnis eines Knechts wählt, der im Dienst seines Herrn hin und her laufen, Besorgungen und Arbeiten verrichten muss. So wie der Knecht stets nach der Pfeife des Herrn tanzen muss und zu seinen eigenen Angelegenheiten nicht kommt, so bedeutet Aufgeregtheit und innere Unruhe geradezu ein Versklavung des Denkprozesses durch die verschiedenen erregenden Vorstellungen.

Auch je öfter einer durch das dunkle Gewölk der dritten Hemmung, durch die gewohnte banale Daseinssicht hindurchstößt zum Anblick der wahren Freiheit, um so schmerzlicher empfindet er es , dass er immer wieder in das Gewölk hinabsinkt. Nun, da er um die Möglichkeit der Freiheit vom Körperlichen weiß, empfindet er die vierte Hemmung, die Gebundenheit an die vielfältige Unruhe der weltlichen Gedanken wie eine Knechtschaft.

Die fünfte Hemmung: Daseinssorge, Daseinsbangnis. Der Erwachte vergleicht die Situation eines Menschen, der von Daseinsbangnis bewusst oder unbewusst begleitet wird, mit einem Mann, der sich mit seinem ganzen Vermögen auf einer Reise über Land in gefährlicher Gegend befindet, wo er jeden Augenblick Überfall auf Leben und Gut befürchten muss. Die Sorge und der Zweifel ist das unschlüsssige Schwanken, ein Nichtverstehenwollen oder Nichtverstehenkönnen als Folge von unweisem, ungründlichem Auffassen.

Der Nachfolger der Lehre hat erfahren können, dass er immer wieder durch die Befreiung von der Sinnensucht wie von Schuldenlast frei geworden ist, dass er durch die Befreiung von Übelwollen hell geworden ist, dass er durch seine erworbene Fähigkeit, über alle weltlichen Vorstellungen hinaus zu schreiten, unabgelenkt von Trägheit und Unruhe, den Gesamtzusammenhang der Existenz sehen kann. Wie könnte ein solcher noch Daseinsunsicherheit empfinden, von Daseinsbangnis bewegt sein. Die fünfte Hemmung ist als Folge der Aufhebung der anderen vier Hemmungen wie von selber aufgelöst, dahingeschwunden. Sie kann nicht bestehen, wenn die vier aufgehoben sind.

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Die fünf Hemmungen, wie sie der Buddha durchschaut, sind die Hindernisse des wahren, höheren Lebens. Ihre Überwindung sieht der Erwachte als Inbegriff und Wesensmerkmal jeden spirituellen Fortschritts an. Ein wirksamer Umgang mit diesen Hemmungen besteht darin, dass man sie, sobald sie aufgetreten sind, merkt, benennt und stoppt. Man erkennt sie als das, was sie sind. Man lässt sich keineswegs auf ihre Inhalte ein und verhindert auf diese Weise eine Auslieferung an die ihnen zugrunde liegenden leidvollen Welten.

Die fünf Gleichnisse für die Überwindung der 5 Hemmungen gibt er in einem Gespräch mit König Ajatasattu (Digha Nikaya 2), hier der Text im Zusammenhang:

"Gleichwie etwa, großer König, wenn ein Mann, von Schulden bedrückt, sich in Geschäfte einließe; diese Geschäfte aber nähmen einen gedeihlichen Ausgang für ihn, so dass er seine alte Schuldenlast tilgen könnte und ihm sogar noch ein Übriges bliebe um ein Weib auszuhalten; der sagte sich nun: "Ich habe mich früher, von Schulden bedrückt, in Geschäfte eingelassen, und diese sind mir nun gediehen; jetzt habe ich meine alte Schuldenlast getilgt und besitze sogar noch ein Übriges um ein Weib aushalten zu können". Darüber freute er sich, wäre fröhlich gestimmt.

Gleichwie etwa ... wenn ein Mann siech wäre, leidend, von schwerer Krankheit betroffen, keine Nahrung vertrüge, keine Kraft mehr im Leibe hätte; später dann wiche aber das Gebresten von ihm, die Nahrung bekäme ihm wohl, er fühlte sich wieder kräftig im Leibe ... Darüber freute er sich, wäre fröhlich gestimmt.

Gleichwie etwa ... wenn ein Mann im Kerker schmachtete; später würde er dann aber aus dem Kerker befreit, heil und sicher, und nicht den geringsten Verlust an Vermögen erleiden ... darüber freute er sich, wäre fröhlich gestimmt.

Gleichwie etwa ... wenn ein Mann Knecht wäre, nicht sein eigener Herr, von anderen abhängig, nicht gehen könnte, wohin er wollte, später dann würde er aber dieser Knechtschaft enthoben, wäre sein eigener Herr, unabhängig von anderen, ein freier Mann, könnte gehen, wohin er wollte ... darüber freute er sich, wäre fröhlich gestimmt.

Gleichwie etwa ... wenn ein Mann mit Hab und Gut auf einer öden langen Landstraße dahinzöge, wo kein Rasthaus einlädt, wo man schlimme Gefahr läuft; später dann gelangte er aber aus dieser Öde heraus und erreichte glücklich den Rand eines Dorfes, wo man sicher, geborgen ist ... darüber freute er sich, wäre fröhlich gestimmt.

Ebenso nun auch, großer König, mag der Mönch als Schuldenlast, als Krankheit, als Kerker, als Knechtschaft, als öde lange Landstraße jene fünf in ihm hausenden Hemmungen betrachten, gleichwie aber, großer König, die Schuldentilgung, wie die Gesundheit, wie die Befreiung aus dem Kerker, wie den Herrenstand, wie die sicher umgrenzte Stätte: ebenso auch mag der Mönch jene fünf in ihm aufgehobenen Hemmungen betrachten.

Während er so diese fünf Hemmungen in sich aufgehoben erkennt, wird er freudig bewegt. Freudig bewegt wird er heiter. Heiteren Herzens wird der Körper beschwichtigt. Körperbeschwichtigt fühlt er sich wohl. Sich wohl fühlend wird sein Geist einig (samadhi). So gewinnt er, fern von Begierden, fern von unheilsamen Dingen, in sinnend gedenkender ruhegeborener seliger Heiterkeit, die Weihe der ersten Schauung (jhana). Diesen Leib da durchdringt und durchtränkt er nun, erfüllt ihn und sättigt ihn mit ruhegeborener seliger Heiterkeit, so dass nicht der kleinste Teil seines Körpers von ruhegeborener, seliger Heiterkeit ungesättigt bleibt."