Zitate aus dem Büchlein "Buddhismus und Humor" (Bodhi-Blätter Nr. 28)  von Dr. Hellmuth Hecker.

Die Wahrheit vom Leiden und ...  Humor?

Ein Buddha, dessen letztes Wort ein Aufruf zum Streben in Ernsthaftigkeit war - wie passt das zum Humor?

 

Um auf solche Fragen antworten zu können, bedarf es vorerst der Klärung, was denn unter Humor überhaupt zu verstehen ist. Und da herrscht nun seit je eine heillose Begriffsverwirrung. Humor ist nach dem allgemeinen Sprachgebrauch von heute "die Kunst, Witze zu machen". Die Witzseiten in den Illustrierten werden ja meist mit "Humor" überschrieben.

Bei derartigen Begriffsverwirrungen ist es notwendig, den existentiellen Unterschied zwischen Noch-Nicht und Nicht-Mehr zu beachten. Der Witz ist noch nicht Ernst, der Humor nicht mehr. Der Witz hält fest auf der Stufe unterhalb ernsthaften Strebens, der Humor hat sie durchschritten und kann darüberstehen. Das ist nun näher zu betrachten:

Was noch nicht Ernst ist, das ist Leichtsinn oder Lässigkeit, die letzte und schädlichste aller 16 Herzenstrübungen, die der Buddha nennt. Das Gelächter des Leichtsinns ist vielfältig: Da ist die grobe, derbe, banale Form der Situationskomik: Klamauk, Burleske, Posse, Schwank, Ulk, Scherz und - in gemeinster Form - die Zote. Die Clownerie der Lustigmacher ist eher tierisch und drückt sich in wieherndem Gelächter, in dröhnenden Lachsalven, in zwerchfellerschütterndem Gebrüll aus. 

Fast das Gegenteil ist der intellektuelle Witz: Parodie, Persiflage, Satire, Karikatur. Geistreich geschliffen, schillernd und funkelnd blitzt ein anspruchsvolles Feuerwerk auf, eine Kette von Gags. Das ist der allzumenschliche Gebrauch der Vernunft zu selbstgefälliger, unverbindlicher Effekthascherei. Ihr Ausdruck ist das breite Grinsen.

Unmerklich ist der Übergang vom Witz zum gezielten, verletzenden und niederziehenden Spott: Hohn, Zynismus, Sarkasmus, beißende Ironie. Frivolität, bis hin zur Grausamkeit des "schwarzen Humors" (ein Wortgebilde wie "schwarzer Schimmel"). Und das ist schon dämonisch und höllisch, ausgedrückt in hämischem Gelächter und fratzenhafter Schadenfreude.

Wer, wie die meisten Menschen, nur diese drei Formen des Lachens kennt, wird innerhalb ihres Bereichs bestenfalls eine Sublimierung anstreben. Aber diese drei Unterhaltungsformen halten unten, halten fest in den untersten Schichten der Sinnenwelt. Um der inneren Öde zu entgehen, werden gierig witzige Unterhaltungen gesucht. Als einmal ein Schauspieler den Buddha fragte, ob es zutreffe, dass die Spaßmacher, die den Menschen Zerstreuung und Lachen bieten, nach dem Tode zu den Lachenden Göttern kämen, lehnte der Buddha eine Antwort ab. Erst als der Frager zum dritten Mal darauf beharrte, erwiderte er, jene kämen in die Gelächterhölle.

Aber was ist mit dem "tierischen Ernst", dem grimmigen Ernst, mit der freudlos verbissenen Selbstgerechtigkeit strenger Moralisten, wie sie als Zerrbild der Pietisten und Puritaner oft angeprangert wird? Dieser muffige, sauertöpfische Ernst ist der missglückte Versuch der Leichtsinns-Überwindung. Der Versuch ist auf halbem Wege steckengeblieben. Man ist nicht mehr leichtsinnig, aber auch noch nicht heiter, wie der Humor.

Der Humor ist insofern nicht mehr nur Ernst, als er die Stufe des ernsthaften Strebens erfolgreich übt und dabei schon zunehmend Abstand zur "Sünde", zum Niederen, zum Unheilsamen gewinnt. "Humor ist, wenn man trotzdem lacht" - aber das ist nur die Eingangsstufe des Humors. Man ist dabei noch verletzbar, man möchte am liebsten heulen, aber man besinnt sich und gewinnt Distanz von sich.

Die Anekdote, die ein Papst unserer Zeit erzählt, passt in diesen Zusammenhang: Ein neu ernannter Bischof beklagte sich in der ihm von Johannes XXIII. erstmals gewährten Privataudienz, dass die neue Bürde ihn nicht mehr schlafen lasse, "Oh", sagte Johannes in mitleidsvollem Ton, "mir ging es in den ersten Jahren meines Pontifikats genauso, aber dann sah ich einmal im Wachtraum meinen Schutzengel, der mir zuraunte: `Giovanni, nimm dich nicht so wichtig...` Seitdem schlafe ich wieder."

Diese "Distanz von sich" führt zu einer gewissen Souveränität, die über der Situation steht. Und das kann schier unbegrenzt zunehmen. Der Weise ist heiter. Der Humor kann über das bloß Relative lächeln, weiß um etwas, das über das Menschentum hinausreicht, kann schmunzeln, weil er sich und die vergänglichen Dinge nicht mehr so todernst, nicht mehr so wichtig nimmt. Und dieses Lächeln kommt aus der Seele, aus Herz und Gemüt - nicht nur aus dem Intellekt, wie beim Witz.

Entsprechend sagte der Buddha (Anguttara Nikaya III): "Als kindisch gilt in der Ordenssatzung der Edlen das unpassende Lachen mit aufgerissenem Munde. Seid ihr über die Lehre erfreut, so genüge euch das Lächeln des lächelnden Blickes."

Paul Debes sagt: "Die bildlichen Darstellungen lassen ein überweltliches, feines Lächeln im Antlitz des Buddha erkennen. Es ist das Lächeln dessen, der den Ausgang aus dem Labyrinth entdeckt, die Odysee beendet und heimgefunden hat. Es ist ein Lächeln aus namenloser Geborgenheit, aus unverletzbarer Sicherheit." (WW 1966)

Wesentliches weiß der Altmeister des deutschen Mahayana-Buddhismus, Lama Anagarika Govinda (1898-1985) zu sagen, wenn er erklärt: "Der Sinn des Buddha für Humor - der in so vielen seiner Reden in Erscheinung tritt - ist eng verbunden mit seinem Mitleid; beide haben ihren Ursprung im Verständnis tieferer Zusammenhänge, in der Einsicht in die wechselnden Beziehungen aller Dinge und aller Lebewesen und die Kettenreaktion von Ursache und Wirkung. Sein Lächeln ist der Ausdruck eines Weisen, der das magische Wunderspiel von Unwissenheit und Wissen gegen den universellen Hintergrund und in seiner tieferen Bedeutung durchschaut."

Kurt Schmidt schreibt: "Der Buddha war auch in der Redekunst Meister. Seine Zeitgenossen sagten von ihm, seine Rede sei inhaltreich, klar und bestimmt, ihrem Gegenstand angemessen und gelegentlich mit Gleichnissen geschmückt; er spreche gut, seine Sprache sei fein und elegant, fließend, klangvoll und deutlich. Dass er, wo es am Platz war, auch mit Ironie und Humor redete, wird zwar nicht ausdrücklich bezeugt, aber wir dürfen es im voraus als sicher annehmen, denn das "Ridendo dicere verum" kann einem so großen Meister der Redekunst, wie der Buddha es war, nicht fehlen und es finden sich in den überlieferten Reden in der Tat mehrere Stellen, in denen Ironie und Humor deutlich zutage treten."

Eine Gruppe von Fällen des Humors beim Buddha zeigt sich in den vielen Gleichnissen, welche drastisch die Lächerlichkeit, die komplette Sinnlosigkeit und totale Wirklichkeitsfremdheit eingefahrerner Dogmen und Meinungen verdeutlichen. So in Majjhima Nikaya 126:

Wer mit falscher Ansicht das Heil gewinnen will, der gleicht laut dem Buddha jemandem, der Sand mit Wasser verrührt und dadurch Sesamöl herauszuquetschen hofft. Oder wer das Heil dort sucht, wo es überhaupt nicht ist, der gleicht einem Manne, der eine Kuh am Horne statt am Euter melkt. Ob der das nun mit erwartungsvoller Hoffnung tue oder gedankenlos aus bloßer Gewohnheit - Milch werde er jedenfalls nie bekommen.

Der eklatante Widerspruch zwischen dem erhabenen Ziel, dem Heil, und der abwegigen Vorgehensweise lädt zum Lächeln ein und führt zum Entschluss: Ich will mich doch nicht lächerlich machen. Und sofort gibt der Erwachte auch das positives Bild:

"Gleichwie etwa, Bhumijo, wenn ein Mann, der Milch begehrt, Milch sucht, auf Milch ausgeht, eine Kuh, die gekalbt hat, am Euter zu melken begänne; mag der auch also mit Hoffnung bemüht sein, Milch kann er doch wohl gewinnen; mag der auch also ohne Hoffnung bemüht sein, Milch kenn er doch wohl gewinnen. Und warum das? Weil er Milch gewinnen von Grund auf versteht."

Eine unerschöpfliche Quelle für Humor sind auch die Jenseitigen, die sich oft dem Buddha , dem "Asketlein Gotamo" überlegen wähnen, während in Wirklichkeit allein schon die drei Kleinodien allen Göttern und höchsten Geistern überlegen sind. Aus diesem Widerspruch ergibt sich von selbst Humor.

So gibt es viele Situationen aus buddhistischen Texten, die unter dem Aspekt des Humors betrachtet werden können.

Fazit:

Immer wird es Menschentypen geben, die sich darin unterscheiden, dass sie mehr pessimistisch oder mehr optimistisch sind. Die Gefahr des Pessimisten besteht darin, alles zu tragisch zu nehmen und sich verpflichtet zu sehen, sich und andere mit strenger Miene zu beurteilen und überall Leichtsinn zu wittern. Die Gefahr des Optimisten hingegen besteht darin, alles zu leicht zu nehmen und Schwierigkeiten zu überspielen oder zu verniedlichen und gegen den tierischen Ernst verbissener Perfektionisten zu wettern.

Der mittlere Weg ist auch hier, wie überall, gar nicht so leicht zu finden. Dem Pessimisten täte es gut, auch einmal über sich selbst lachen zu können und sein Schein-Ich nicht so wichtig zu nehmen - und das ist eben Humor im besten Sinne. Dem Optimisten täte es gut, mehr den Ernst der Lage der Verstrickung in den Leidenskreislauf zu sehen und die eigenen Trübungen und Fesselungen wichtiger zu nehmen.

Dem Optimisten täte es gut, das Wort des Buddha zu beachten:

"Wie kann man lachen, lustig froh,

da alles Sein in Flammen steht."

Dem Pessimisten täte es gut, ein anderes Wort des Buddha zu beherzigen:

"Seid heiter, Jünger, euer Teil

ist sichrer Wahnerlöschung Heil."

Solange jemand völlig in Leiden versunken ist und sich dessen bewusst wird, ohne einen Ausweg zu sehen und beschritten zu haben, kann er das Dasein nur tragisch ansehen, mit gesenktem Haupt und steinerner Miene und verächtlich auf alle blicken, die in ihrer Verblendung den Ernst der Lage noch nicht erkannt haben.

In dem Maße aber, wie jemand den Ausweg aus dem Leiden sieht und den Weg dazu beschreitet - und das ist letztlich nur der Weg zur Erwachung -, nimmt er weder sich mit seinen Eigenwilligkeiten und die Welt mit ihren Wandlungen so ernst, sondern erkennt im Abstand davon, wie komisch im Grunde das Gezappel und Wirbeln des sogenannten Ich ist, das sich aufspreizt und für das Wichtigste der Welt hält. Aber er weiß auch, dass diejenigen, die noch im selben Leiden stecken, wie er zuvor auch, das so nicht sehen können. Um ihnen zu helfen, versucht er, ihren Blick darauf zu lenken, wie das Spiel der Daseinsfaktoren nicht der Identifikation lohnt. Und das eben tut der Buddha, mittels eines Lächelns, mittels Humor und mittels all seiner Belehrung. Die sanfteste und gewaltloseste Weise aber ist es, nur die Widersprüchlichkeit des Ichwahns aufzuzeigen, ohne erhobenen Zeigefinger, ohne Verdammungsurteile und Drohungen mit Höllenangst, was nur das letzte Mittel ist, um aufzurütteln.