Buddham saranam gacchami

Dhammam saranam gacchami

Sangham saranam gacchami

 

Zum Erwachten gehe ich als meiner Zuflucht

Zur Lehre gehe ich als meiner Zuflucht

Zur Gemeinde der Heiligen gehe ich als meiner Zuflucht

 

In allen buddhistischen Ländern bezeugen die Anhänger des Erwachten und seiner befreienden Lehre ihr Bekenntnis und ihre Ergebenheit durch die alt-ehrwürdige, schlichte Formel der "Zufluchtnahme" (sarana-gamana) oder - wortgetreuer und ausdrucksvoller - durch das Hingehen zur Zuflucht des Dreifachen Kleinods, bestehend aus dem Buddha, seiner Lehre und der Gemeinschaft der heiligen Jünger. Diese Dreiheit gilt als "Kleinod", weil sie für den, der ihren Wert versteht, das Kostbarste darstellt, das es in der Welt gibt.

Der "Zufluchts-Gang" ist, wie es dieser bildhafte Ausdruck besagt, eine bewusst unternommene Willenshandlung, die ebenso eine Eigen-Leistung verlangt wie der Akt des körperlichen Gehens. Die Zufluchtnahme ist also nicht nur ein Lippen-Bekenntnis, ein rein theoretisches Glauben, und sie wird entwertet, wenn sie zum gewohnheitsmäßigen Ritus traditioneller Frömmigkeit wird. Die schützende Zuflucht besteht, doch wir müssen durch eigene Anstrengung zu ihr gehen; sie kommt nicht von selbst zu uns, während wir untätig, gleichgültig oder "gläubig wartend" stehen bleiben. Der Buddha ist, wie er es oft betont, nur der Lehrer; er "zeigt den Weg" (Dhammapada 276), den wir aus eigener Kraft beschreiten müssen. Daher ist die Zufluchtnahme, welche das Vertrauen oder den Glauben (saddha) des Buddhisten ausdrückt, als erstes ein bewusster Willensakt und Entschluss, sich einem kundigen Führer, der den Weg zum Befreiungsziel kennt, anzuvertrauen. Hierdurch wird jene Art des Glaubens verworfen, die in einem passiven Warten auf die erlösende Gnade besteht.

Im Ausdruck "Zufluchtsgang" hat das Gehen auch die Bedeutung von Wissen und Verstehen. Bei vielen Gelegenheiten warnte der Buddha seine Jünger, die Lehre nicht aus bloßem Glauben an ihn anzunehmen, sondern nur nach persönlichem Erfahren, Erleben und Durchdenken. Hier genügt es, an die berühmte "Rede an die Kalamer" zu erinnern: "Geht nicht nach Hörensagen, nach der Überlieferung, nicht nach dem Gerede der Leute, nicht nach der Autorität der heiligen Schriften, nicht nach bloßen Vernunftgründen oder logischen Schlussfolgerungen, nicht nach äußeren Erwägungen oder auf Grund der Übereinstimmung mit euren Ansichten und Grübeleien, auch nicht, weil ihr den Lehrer verehrt oder weil ihr denkt: Dieser Asket ist unser Lehrer. Doch wenn ihr selber erkennt: Diese Dinge sind gut und einwandfrei, werden von Verständigen gepriesen, und, wenn ausgeführt, gereichen sie zum Heil und Segen, dann möget ihr euch diese Dinge zu eigen machen!" (Anguttara Nikaya III, 66)

Es ist ein dreifaches Wissen, das in der Handlung der Zufluchtnahme einbegriffen ist oder sein sollte. Es ist ein Wissen, das auf die folgenden drei Fragen antwortet:

1. Ist unsere Welt wirklich ein solcher Ort der Gefahren und des Elends, dass eine Zufluchtnahme notwendig ist?

2. Gibt es tatsächlich eine solche Zuflucht?

3. Was ist ihre Natur?

1. Es gibt viele Menschen, die die Notwendigkeit einer Zuflucht, also einer Erlösungslehre, überhaupt nicht einsehen. Mit sich selbst und ihrem kleinen Augenblicksglück zufrieden, sind sie ganz davon überzeugt, dass "alles in der Welt zum Besten steht". Sie wollen und können nicht über ihren eigenen, engen Horizont hinaussehen. Für sie ist weder der Buddha noch irgend ein anderer großer religiöser Lehrer erschienen. Doch die Mehrzahl der Menschen kennt sehr gut aus eigener bitterer Erfahrung das grausame Gesicht der Welt, das nur zeitweise durch eine freundliche Maske verhüllt wird. Es gibt auch noch andere, doch ihre Zahl ist schon viel kleiner, denen die Existenz fühlender Mitwesen genügend zum Bewusstsein gekommen ist, um ihre persönliche Erfahrung auch durch Beobachtung anderer Leidens-Schicksale zu bereichern. Schließlich gibt es eine noch geringere Anzahl von Menschen, die fähig sind, über beides, Eigen-Erfahrung und Beobachtung, gründlich nachzudenken, und die von dem Ergebnis ihres Nachdenkens tief ergriffen werden. Ihnen deren Augen weniger mit Staub bedeckt sind, wird das Leben als ein weiter Ozean des Leidens erscheinen, von unergründlicher Tiefe, auf dessen Oberfläche die Wesen für einen kurzen Augenblick schwimmen oder umherfahren in ihren kleinen, zerbrechlichen Nussschalen, auf die sie so sehr stolz sind. Sicherlich gibt es auch Zeiten der Ruhe auf den Wassern, wo es angenehm ist, auf stiller See zu segeln oder die Kraft des Körpers durch Schwimmen zu erproben und zu genießen. Aber diejenigen, die offene Augen und ein offenes Herz haben, lassen sich nicht durch solche kurzen Augenblicke der Ruhe täuschen: sie kennen die gefährlichen Strömungen und Strudel sowie die Ungeheuer und Dämonen der Tiefe. Sie wissen, dass auch unter den günstigsten Bedingungen die schwache Kraft des Menschen durch den ständigen Anprall der elementaren  Kräfte des Lebens bald erschöpft sein wird. Die Wechselfälle des Lebens in ihrer unbegrenzten Folge der Veränderungen geben nicht die Möglichkeit, auch nur den geringsten Grad von Glück oder das geringste geistige und sittliche Niveau beständig beizubehalten. Nichts ist zu gewinnen durch ein immer neues befahren des Lebens-Ozeans in irgendeiner Richtung. Es gibt da nur endlose und ergebnislose Wiederholung des Auf und Nieder, der Ebbe und der Flut. Angesichts dieser immer vorhandenen Gefahren des Lebens und seiner wesentlichen Eintönigkeit wird schließlich nur ein einziger Ruf nach Rettung ertönen in den Herzen derer, die sich ihrer wirklichen Lage in der Welt bewusst sind. Sie werden dann wissen, dass eine Zuflucht tatsächlich die große Notwendigkeit allen Lebens ist und der Gang zu ihr die einzig vernünftige Tat in einer solchen Lage ist.

2. Wird nun die Notwendigkeit oder das Wünschenswerte einer Zuflucht zugestanden, so entsteht die Frage: Gibt es auch tatsächlich eine solche Zuflucht vor dem Weltleid? Der Buddhist behauptet es und beweist hiermit, dass er alles andere ist als ein Pessimist. Wir haben gesehen, dass er das Dreifache Kleinod als solche Zuflucht bezeichnet. Dass dies wirklich die endgültige Zuflucht darstellt und nicht nur ein vorübergehendes Obdach des Geistes, kann freilich nicht anders bewiesen werden als durch das tatsächliche Erreichen dieser Zuflucht durch diejenigen, die sich ihr zuwenden. Ob etwas eine Zuflucht und einen Schutz gewährt, kann nur durch die Erfahrung erwiesen werden, nicht aber, wenn man in grundsätzlichem Zweifel außerhalb dieser Zufluchtsstätte bleibt. Man muss es selber erfahren, dass diese Zuflucht Leidminderung, Glücksmehrung, Erkenntniszuwachs und die Sicherheit der endgültigen Leidbefreiung bietet.

Das Dreifache Kleinod besitzt wohl auch eine objektive Existenz als unpersönliche Idee und überpersönliches Ideal, solange es als solches gekannt und geschätzt wird. Insoweit ist es eine andauernde und aktive Energiequell für die Welt und hat mit seiner Wirkungskraft auch seine Wirklichkeit erwiesen. Aber das Dreifache Kleinod wird von einer unpersönlichen Idee zu einer persönlichen Zuflucht nur in dem Maße, in dem es auf den Geist und das Leben des Bekenners bestimmten Einfluss gewinnt. Daher kann die Existenz des Dreifachen Kleinods in seiner charakteristischen Natur als Zuflucht nur denen bewiesen werden, die diese Zuflucht durch eigene Anstrengung in sich selber finden.

Die Zuflucht hat helfende Wirklichkeit für uns nur in dem Maß, in dem wir von ihr Gebrauch machen. Sie existiert für uns nur insoweit, als es etwas in uns selber gibt, das ihr zutiefst entspricht, zu ihr hinneigt, ihrer stillen Stimme antwortet. Sie entsteht und wächst in uns im Vorgang des bewussten Gehens zu ihr.

"Durch Anstrengung, Ernst und Selbstzucht

Lasset den weisen Mann

sich eine Insel schaffen,

die keine Flut überschwemmen kann."                     

Siehe Dhammapada, Vers 25.

Daher sagte der sechste Zen-Patriarch: "Lasset jedem von uns zum Dreifachen Kleinod in unserem eigenen Geiste Zuflucht nehmen!"

Über die zweite Zuflucht, zum Dhamma in uns selber, sagte der Buddha kurz vor seinem Hinscheiden:

"Seid euch selber eine schützende Insel, seid euch selber Zuflucht, nehmt keine andere Zuflucht! Die Lehre sei euch Insel, die Lehre sei euch Zuflucht, nehmt keine andere Zuflucht!"

Die dritte Zuflucht, der Sangha, als die Gemeinschaft der heiligen Jünger, ist das große und begeisternde Vorbild zum Nacheifern.

Die wirkliche Grundlage dieser Zuflucht in uns selber ist die allen Wesen innewohnende Fähigkeit, sich zu jenen acht Hohen Wesen zu entwickeln, welche den Sangha der Zuflucht bilden. Diese Zuflucht gibt somit die tröstliche Gewissheit eines möglichen Fortschritts zu den weltüberragenden Höhen eines heilig und rein gewordenen Herzens.

3. Wenden wir uns nun dem dritten Gegenstand jenes Wissens zu, das in der Zufluchtnahme einbegriffen ist: dem Wissen von der wahren Natur und Beschaffenheit der Zuflucht.

Wir haben gesehen, dass die Zuflucht erreichbar und sogar wahrnehmbar wird durch die lebendigen Wurzeln und die tiefen Fundamente, die sie im Geiste des Menschen besitzt. Wie der Lotos entsteht sie in den Wassern weltlicher Existenz; dort entwickelt sie sich, und daraus nimmt sie ihre Nahrung. Aber was noch im Ozean der Weltlichkeit und des Leidens eingetaucht ist, kann nicht die höchste Zuflucht sein, der Ort der Sicherheit und des Friedens. Denn eine Zuflucht soll Gefahr, Angst, Siechtum und die ganze Leidens-Masse nicht nur lindern oder verringern, sondern soll sie gänzlich überwinden, dem Lotos gleich, der sich über das Wasser erhebt und davon unbefleckt bleibt.

Daher ist die vollkommene Zuflucht, die in der Formel gemeint ist, von überweltlicher Natur, lokuttara, das heißt, welt-überragend.

So ist die erste Zuflucht nicht der indische Asket Gotama, sondern der Buddha, der Erwachte, als eine Personifizierung weltüberwindender Erleuchtung (bodhi). In diesem Sinne wird vom Vertrauen des edlen Jüngers gesagt: "Er glaubt an die Erleuchtung oder Erwachung des Erhabenen."

Der Dhamma der zweiten Zuflucht ist nicht das schwache, bruchstückhafte oder gar entstellte Bild der Lehre, wie es sich im Geiste eines unbefreiten Weltlings widerspiegeln mag. Es besteht vielmehr in erster Linie in den neun überweltlichen Zuständen (nava-lokuttara-dhamma), nämlich den acht Pfaden und Früchten der Heiligkeit und als neuntes, Nibbana. Erst in zweiter Linie ist hier der Dhamma als überliefertes Lehrgut zu verstehen, und zwar nur im Sinne einer Bedingung für die Erreichung jener überweltlichen Zustände.

Der Sangha der dritten Zuflucht besteht nicht in der Gesamtheit der Mönchs-Gemeinde, die an allen Schwächen ihrer einzelnen Mitglieder teilhat und die Fehler aller menschlichen Einrichtungen besitzen mag. Es ist vielmehr die Bruderschaft der heiligen Jünger (nicht notwendigerweise Mönche), die durch das unsichtbare Band der gemeinsamen Erreichung der vier Heiligkeitsstufen verbunden ist. So ist auch diese dritte Zuflucht von überweltlicher Natur.

Durch dieses dreifache Wissen von der Notwendigkeit, von der Existenz und von der wahren Natur der Zuflucht wird die Zufluchtnahme des Buddhisten zu einem bewussten Akt des Verstehens als dem zweiten Aspekt buddhistischen Vertrauens.

Dieses Erkennen und Verstehen bildet auch die sichere Basis für den dritten, den Gefühls-Aspekt der Zufluchtnahme. Diese Gefühlsseite der Zufluchtnahme erscheint in dreierlei Weise: als Vertrauen, Hingabe und Liebe. Das Wissen von der Existenz  einer Zuflucht bildet die Basis für ein starkes und begründetes Vertrauen, für die Ruhe innerer Gewissheit und die Stärke der Überzeugung. Das Wissen von der Notwendigkeit der Zuflucht führt zu entschlossener und wachsender Hingabe zu ihr, und das Verstehen ihrer erhabenen Natur erfüllt mit Liebe zu diesem Höchsten, das gedacht werden kann. Vertrauen ist die Festigkeit im Glauben; Hingabe ist die geduldige Ausdauer im treuen Dienst am überpersönlichen Ideal der Zuflucht und im kraftvollen Mühen um persönliche Verwirklichung dieses Ideals; und die Liebe fügt noch hinzu Innigkeit, Wärme und Freude. Im Sinne dieser drei Gefühlsäußerungen ist die Zufluchtnahme auch eine gefühlsstarke, doch im Wissen wurzelnde Glaubenshandlung.

Wir können nun zusammenfassend die Zufluchtnahme bezeichnen als eine auf Leid-Erlösung gerichtete bewusste Willenshandlung, beruhend auf Wissen und erfüllt von innigem Vertrauen; oder auch: sie ist ein bewusster Akt des Willens, der Erkenntnis und der Hingabe. Diese drei Aspekte der Zufluchtnahme entsprechen dem wollenden, erkennenden und fühlenden Teil des menschlichen Geistes.

Diese Bemerkungen werden es klar gemacht haben, dass ein gedankenloses Hersagen der Zufluchtsformel diesen alten, ehrwürdigen Brauch seiner wahren Bedeutung und auch seiner Wirkungskraft entkleidet. Das "Nehmen der Zuflucht", der Gang zu ihr, soll vielmehr der Ausdruck eines wirklichen inneren Dranges sein, in der gleichen Weise, wie man beim Anblick einer großen Gefahr dazu getrieben wird, unverzüglich die Zuflucht eines sicheren Ortes aufzusuchen.

Beim Anblick unseres brennenden Lebens-Hauses wird es nicht genügen, die von außen her winkende Sicherheit und Freiheit zu bewundern und zu verehren; man muss sich vielmehr tatsächlich in Bewegung setzen, um sie zu erreichen. Der erste Schritt in der Richtung zu Sicherheit und Freiheit ist die Zufluchtnahme in der rechten Weise, d.h. als ein bewusster Akt des Willens, Erkennens und hingebenden Vertrauens.

Quelle: Die dreifache Zuflucht, vom ehrw. Nyanaponika Mahathera.