Die folgenden Jahrhunderte des Buddhismus in Indien.

Zurück

Weiter

 

In demselben ersten Jahrhundert v. Chr., in welchem der Pali-Kanon auf Ceylon niedergeschrieben wurde, entstand in Indien jene Bewegung, die dann als Mahayana-Buddhsimus in die Geschichte einging. Diese Bewegung nannte sich selbst Maha-yana (Großes Fahrzeug) und alle vorangehenden Richtungen wurden polemisch als Hina-yana (geringwertiges, kleines Fahrzeug) bezeichnet.

Heute endlich wird deutlich sowohl wissenschaftlich als auch amtlich in der World Fellowship auf Buddhists zwischen den siebzehn seit vielen Jahrhunderten ausgestorbenen Schulen des Hinayana, die in Sanskrit schrieben, und dem Theravada (Lehre der Älteren) unterschieden, der als einziger die Pali-Texte überlieferte.

Die Philosophie des Mahayana ist nur zu verstehen als Reaktion auf die entgegengesetzte Philosophie der Sekten des Hinayana. Diese vertraten einen philosophischen Realismus oder spirituellen Materialismus. Weniger gelehrt ausgedrückt, war das Hinayana weltgläubig, ohne dies zu begründen oder betont auszuarbeiten. Die gängige Auffassung des Hinayana war auch, dass der Buddha Agnostiker (=Verfechter der philosophischen Lehre, die übersinnliches Sein und letzte Wahrheit für unerkennbar hält) gewesen sei, weil er die zehn Antinomien (das sind Paare von Sätzen, die sich gegenseitig ausschließen, von denen aber beide gültig zu sein scheinen, wie: "Die Welt ist ewig, die Welt ist nicht-ewig") nicht beantwortet habe.

Der wirkliche Grund für die Abweisung dieser Fragen durch den Buddha liegt darin, dass sie völlig falsch gestellt sind und ein Weltbild des naiven Realismus vorausssetzen. Da diese weltgläubige Lieblingsidee der gewöhnlichen Menschen frontal nicht zu beseitigen ist, lehnt der Buddha es ab, sich auf die falschen Voraussetzungen einzulassen. Er zeigt vielmehr den Weg, wie durch Läuterung der ganze Spuk des naiven Realismus zusammenfällt. So zeigt er, dass jemand, der die weltlosen Entrückungen erlebt, dann nicht mehr die Frage stellt, ob Leben und Leib dasselbe seien. Er hat eben ein Leben ohne Leib als besseres Leben erfahren, wo sich die materialistischen Fragen buchstäblich in Wohlgefallen auflösen. Wer aber sein einziges Wohl aus der Welt bezieht, der kommt nicht von den Fragen nach der Welt los und jede Weltüberwindung ist ihm purer Nihilismus. Und so grübeln die Asketen, die keine Schauung erlangen können, in der Einsamkeit weiter über Welt und Ich nach. Je näher man dem Heil kommt, um so mehr werden die Fragen vergessen, die aus der Spaltung in Ich und Welt, also aus der Heilsferne, kommen.

Im Mahayana wurde nun besonders der Unterschied zwischen einem Buddha und einem Arahat (d.h. einer, der durch die Belehrung eines Buddha erwacht ist, so wie alle direkten Schüler des Buddha) ausgearbeitet. Und durch diese theoretischen Philosophien gab es immer mehr Buddhisten, die nicht mehr mit der Arahatschaft als Ziel zufrieden waren, sondern die vielmehr dem höheren Ziel der Buddhaschaft nachzustreben geneigt waren. Und wie die ursprüngliche Überlieferung den Buddha vor seiner Befreiung "Erleuchtungswesen" (bodhisattva) nennt, wollten auch diese begeisterten Buddhisten nicht einfach die "Laufbahn der Zuhörer" (sravaka-yana), vielmehr die "Laufbahn der Erleuchtungswesen" (bodhisattva-yana) einschlagen.

Es handelte sich in diesen Fällen um persönliche, private Entscheidungen. Inschriften zeigen, dass die neue Bewegung mehrere Jahrhunderte lang eine Minderheitenbewegung war. Inschriften legen auch nahe, dass sie nach einiger Zeit ihre Stütze hauptsächlich in der Mönchsgemeinde, nicht also unter den Laien, fand; dies schließt aber nicht aus, dass ihr Anfang unter den Laien zu suchen sei. Die Rolle der Frauen scheint klein gewesen zu sein. Es begann sich dann auch noch vor der Zeitenwende ein neues Schrifttum zu entwickeln. Die unmetaphysische Philosophie der Weltlichkeit in den Sekten des Hinayana hatte sich in intellektuellen Formen der Scholastik niedergeschlagen, die leere Begriffshülsen umwälzte und sich auf die Abhidharmas (d.h. die Faktoren zu identifizieren, die unser psychisches und physisches Dasein bestimmen und konstituieren) stützte. Diese konnten vielen tiefer veranlagten Denkern nicht genügen. Aus dieser Sehnsucht nach Weisheit wurden dann jene Texte geboren, die als Prajna-Paramita (Weisheits-Vollkommenheit) bekannt wurden. Sie tauchten plötzlich auf, explosiv, ungeordnet. Diese höchste Weisheit erkennt das Nirvana als das einzig Ungewordene und Wahre an - alles andere ist Maya, ist Täuschung, Blendung vom Geiste geschaffene Wahnideen. Der Buddha-Mönch Nagarjuna systematisierte diese Sutras, reinigte sie von Schwulst und Abwegigkeiten und brachte so die Weisheit in eine philosophische Form, wobei auch er im Grunde nur die ursprüngliche tiefe Weisheit des Buddha wieder belebte.

Nagajuna war Buddhamönch und wird vom Zen als 14. Patriarch verehrt. Er wird als meisterlicher Mystiker bezeichnet und gilt zu Recht als der tiefste Philosoph in der Geschichte des Buddhismus. Sein Hauptwerk ist Madhyamaka-Karika ("Merkverse über die Mittlere Lehre"), 27 Kapitel etwa im Umfang des Dhammapada. Er zeigt sich in seinen Grundsätzen als echter Nachfolger der Lehre des Buddha, wie sie in den Lehrreden des Palikanon niedergelegt ist.

Ebenso wie der Buddha macht er eine Unterscheidung zwischen weltlicher oder relativer und überweltlicher oder absoluter Wahrheit. Die relative Wahrheit geht davon aus, dass die Dinge so bestehe, wie sie erscheinen (Realismus), und diesen Standpunkt machten die Hinayana-Sekten zur Philosophie einer an sich bestehenden Welt, in welcher sich ein Ich läutere und sich als Nicht-Ich erkenne. Die höchste Wahrheit aber erkennt, dass Welt und Ich zwei Entwürfe des Bewusstseins sind, die nur Traumcharakter haben, nur geistig bestehen. In der Tat ist nach dem Buddha diese Erkenntnis der Leerheit bzw. der Traumhaftigkeit aller Erscheinungen der Kern der Erwachungslehre. Der Eindruck einer Zeit, welcher jemand aus dem Samsara zum Nirvana wandere, entstünde allein durch das Ergreifen von Dingen. Da aber alle Dinge Wahn sind, ist es auch die Zeit. Nur solange noch Triebe sind, besteht der Eindruck, Samsara und Nirvana seien zweierlei. Im Geheilten, der trieblos auf die Erscheinungen blicke, ist der Anblick der Erscheinungen (Samsara) und das Freisein von ihnen (nirvana) nicht unterscheidbar. Diese Aussage Nagarjunas wurde allerdings kaum verstanden und hat sehr viel Verwirrung angerichtet.

Nagarjunas gedrängte Darlegungen machen kaum Konzessionen an diejenigen, die noch nicht die Schranken des dualistischen Denkens übersprungen haben. Dass er aber auch in der Lage war, im Bereich der relativen Wahrheit und der Tugendbemühung Lehrdarlegungen zu geben, zeigt sein Freundesbrief (suhrlekha) an einen indischen König. Dort wird das Karmagesetz für im Hause Lebende klar aufgezeigt, Saat und Ernte, Himmel und Hölle erklärt.

Ungefähr drei Jahrhunderte nach Nagarjuna erblühte in Indien die zweite große Schule des Mahayana. Sie hat üblicherweise drei Namen: Citta-matra (es gibt nur Herz), Vinana-vada (Bewusstseinslehre) und Yogacara (Übungswandel). Ihr Gründer war der Mönch Asanga zusammen mit seinem Bruder Vasubandhu, der als 21. Patriarch des Zen gilt. Diese Lehre hat zwei Pfeiler, einen philosophischen und einen praktisch-psychologischen.

Es wird betont, dass die Welt nur scheinbar unabhängig von meiner jeweiligen Erfahrung, vom Bewusstsein besteht und dass der naive Realismus sich bei gründlicher Betrachtung als haltlos erweise. Es gibt nur Erfahrungen, nur psychische Phänomene, aber weder Objekt noch Subjekt der Erfahrung. Alle Phänomene sind vorgestellt (parikalpita), sind von der Erfahrung des Geistes entworfen. Und alle Phänomene sind unselbstständig (paratantra), sind bedingt durch andere, von denen abhängig sie allein bestehen können. Die Psychologie des Yogacara ging von der Erfahrung aus, dass man zur tiefsten Erkenntnis der Daseinsphänomene nicht nur des philosophischen Weisheits-Denkens bedürfe, sondern auch konzentrierter meditativer Übung. Der Yoga-Weg besteht darin, die Triebe des Bewusstseins, der programmierten Wohlerfahrungssuche (vijnana) zu läutern und schließlich aufzulösen.

Hier kann nicht die gesamte Lehre dargestellt werden. Die geschichtliche Entwicklung zeigte sich darin, dass etwa 500 Jahre nach seinen Anfängen - also etwa ein Jahrtausend nach dem Buddha - das Mahayana verfiel auf seinen Substantialismus, indem eine ewige Buddha-Natur, ein ewiger Dharma-Kaya oder ein Adi-Buddha oder ein Alaya-vijnana als Ursubstanz vorgestellt wurde, aus der sich alles durch Emanation entwickele.

Im Laufe der nächsten Jahre und Jahrzehnte nach Asokas Regierungszeit hatte es sich immer mehr eingebürgert, dass für die buddhistischen Mönche und Nonnen durch die Residenzpflicht in der Regenzeit ein mehr oder weniger sesshaftes Leben auch während des übrigen Jahres führten. Erlangten die Mönche während der Residenzpflicht durch ihr Verhalten ein gewisses Ansehen, wuchs auch die Bereitschaft, den Sangha materiell zu unterstützen. Hatte sich erst eine gewisse Anhängerschaft gebildet, war es naheliegend, die nächste Regenzeit an demselben Ort zu verbringen. Die Klöster lagen in der Regel an Verkehrs-Knotenpunkten meist etwas abseits der großen Ansiedelungen. Ein Kloster setzte sich aus den ursprünglich voneinander getrennten Wohn- und Kultbezirken zusammen. Die wichtigsten Elemente waren der Stupa (Caitya) sowie der Tempel mit dem Buddha-Bild und der Wohnkomplex. Nach und nach wurde auch eine Verwaltung notwendig. Dabei spielten neben dem sozialen Umfeld und manchmal der Entstehungsgeschichte des Klosters der Stifter des Klosters und die ihm eingeräumten Kompetenzen, die Größe und die Ausrichtung des Klosters - Klosteruniversität, Provinz- oder Waldkloster etc. -, aber auch die Strenge bei der Auslegung der Vinaya-Regeln eine Rolle. So entstanden nach und nach die festen Klöster als Wohnsiedlungen.

Die Entdeckung der ältesten buddhistischen Handschriften – geschrieben vom ersten Jh. v. Chr. bis zum vierten Jh. n. Chr. in der Gandhari-Sprache und Kharoshi-Schrift –  hat unser Verständnis dieser formativen Phase des Buddhismus auf eine völlig neue Grundlage gestellt. Auf dem Weg von Indien durch Gandhara nach Zentralasien und China entwickelte sich der Buddhismus zu einer Weltreligion, und Gandhara spielte dabei eine zentrale Rolle in der Ausformung der buddhistischen Scholastik, des Mahayana und der buddhistischen Kunst. Gandhara bezeichnet eine Region im heutigen Pakistan um die Stadt Peshawar. Ihre Kunst mutet unserem Blick seltsam bekannt an, eben durch griechischen Einfluss. Die buddhistischen Klöster Gandharas waren opulent ausgestattet.

Als Buchempfehlung für die Kunst Gandharas sei hier das Buch "Gandhara - Das buddhistische Erbe Pakistans. Legenden, Klöster und Paradiese" erwähnt.

Jahrhundertelang gab es viele Klöster, in denen Mahayana- und Hinayana-Mönche gemeinsam lebten. In ganz Indien gab es immer noch eine nicht übersehbare Zahl von buddhistischen Klöstern. Es wurden einzigartige Kunstwerke geschaffen. Die wohl bekanntesten Skulpturen der Kunstschule von Gandhara wurden zwischen 100 v. Chr. und 500 n. Chr. in den Klöstern dieser Region geschaffen. Die Ruinen von Taxila und Manikiala scheinen architektonische Wunder Asiens gewesen zu sein. Ursprünglich war der Buddha aus Respekt nicht abgebildet worden, von der Gandhara-Zeit an, seit der Besetzung durch Alexander des Großen unter griechischem Einfluss, sind diese nachweisbar.

Eine der größten klösterlichen Siedlungen Indiens war Sarnath, am Rande von Benares. Ruinen von zahlreichen großen und kleinen Klöstern können dort heute noch besichtigt werden. Sarnath war ein Hauptzentrum buddhistischer Religion, Kunst und Literatur. Eines der hier hergestellten Meisterwerke ist eine Darstellung des in predigender Haltung sitzenden Buddha. Der Dhamekh-Stupa ist ein weiteres eindrucksvolles Denkmal

Nalanda war das größte Zentrum für buddhistische Mönche und Gelehrte im alten Asien. Spuren früherer Klöster sind zwar verschwunden, aber an den vorhandenen Ruinen läßt sich die Geschichte vom 7. bis 12. Jh. ablesen.

Erwähnung mag besonders der Ort Sanchi verdienen, wo einige der ältesten und schönsten Stupas ebenfalls noch heute stehen, Meisterwerke sowohl in architektonischer als auch in bildhauerischer Hinsicht.

Es gab auch über 1000 von buddhistischen Mönchen und Nonnen ausgehöhlte und benutzte Felsenklöster. Diese in Felsen gehauene Hallen enthalten einen wunderbaren Reichtum an Architektur, Bildhauerei und Malerei. Besonders auch über das Leben des Buddha. Hier gab es im letzten Jahrhundert manche archäologische Sensation. Einige Höhlen wurden ziemlich genau untersucht. Besonders empfehlenswert zu diesem Thema ist ein Buch von Bernd Rosenheim: "Die Welt des Buddha. Frühe Stätten buddhistischer Kunst in Indien. "

Letztlich weiß man durch Reisebeschreibungen der chinesischen Pilger Fa-hsien, der 405-411 in Indien war, von Hsüan-tsang, der 629-690 im Gangesland weilte und von I-ching, der sich 671-690 im heiligen Lande des Buddhismus aufhielt, dass es immer noch eine glänzende Zeit war, in welcher die Völker des Ostens nach Indien blickten als auf die geweihte Heimaterde des Buddha und die Pflanzstätte von Philosophie und Wissenschaft. Zu derselben Zeit, da Europa durch die Wirren der Völkerwanderung und der Frankenkriege ging, diskutierten indische Weise die subtilsten Systeme, fanden indische Texte ihre Übersetzer und Ausleger in Turfan, wie in Burma, China und Korea. Die buddhistische Lehre war noch immer in machtvoller Ausbreitung begriffen.

 

Weiter